Vampire
Vampyren, oder Blutsauger, diese haben mit den schmatzenden Todten, davon im XLIV Bande, p. 664. u. ff. gehandelt wird, grosse Verwandtschafft. Man verstehet dadurch todte menschliche Cörper, welche aus den Gräbern hervor spatzieren, den Lebendigen das Blut aussaugen, und sie dadurch umbringen sollen.
Von solchen blutsaugenden Todten sind zwey Berichte aus Ungern eingelauffen, die man hier in aller Kürtze anführen will. In dem Dorffe Kisolova, war ein Unterthan, Nahmens Peter Plogojowitz gestorben und begraben. Darauf begab es sich, daß innerhalb 8. Tagen neun Personen, so wohl alte als junge, nach einer 24stündigen Kranckheit dahin sturben. Diese sagten auf ihrem Todtenbette aus, wie gedachter Plogojowitz im Schlaf zu ihnen kommen, sich auf sie geleget, sie gewürget, daß sie davon sterben müßten. Man öffnete endlich das Grab dieses Plogojowitz, und befand, daß erstlich der Cörper nicht den geringsten Todten-Geruch von sich gab, er war auch, ausser der Nasen, die gantz abgefallen, noch frisch. Haar und Bart, auch die Nägel waren ihm gewachsen, die alte Haut hatte sich hinweg gescheelet, und eine frische darunter hervor gethan. Das Gesicht, Hände und Füsse, ja der gantze Leib waren so beschaffen, daß sie in seinen Lebzeiten nicht hätten vollkommener seyn können. In seinem Munde erblickte man einiges frisches Blut, welches der gemeinen Aussage nach, er von denen, die er umgebracht, gesogen hatte. Man spitzte einen Pfahl, und durchschlug damit das Hertz des todten Cörpers, da dann häufiges Blut, so gantz frisch, auch durch Mund und Ohren heraus geflossen. Endlich verbrannte man diesen Cörper zu Asche. Und das geschahe ohngefehr 1725.
Der andere Bericht lautet folgendergestalt: Im Jahr 1732. entstand ein Gerüchte, daß in dem Dorffe Medvegya in Servien die Vampyrs einige Personen durch Aussaugung des Bluts umgebracht hätten. Darauf ward eine Untersuchung dieser Sache angestellet. Die Einwohner des Dorffs sagten aus, daß vor ungefehr 5. Jahren daselbst ein Heyduck, Nahmens Arnod Paole durch einen Fall vom Heuwagen den Hals gebrochen. Dieser hatte sich bey seinen Lebzeiten verlauten lassen, daß er bey Gassova von einem Vampyr geplagt worden, daher er von der Erde des Grabes des Vampyrs gegessen, und sich mit dessen Blute geschmieret habe, um von der Plage los zu werden. Zwantzig oder 30. Tage nach seinem Todte klagten schon einige Leute, daß sie von gedachtem Arnod Paole geplagt würden, wie denn auch würcklich vier Personen von ihm umgebracht worden. Etwa viertzig Tage nach seinem Todte hatten sie ihn ausgegraben, den Cörper unverweset gefunden, auch floß ihm frisches Blut zu den Augen, Nasen, Mund und Ohren heraus. Das Hembd und Ubertuch waren gantz blutig, die alten Nägel an Händen und Füssen samt der Haut waren abgefallen, und dagegen andere neue gewachsen. Man schlug ihm einen Pfahl durchs Hertz, wobey er einen wohlvernehmlichen Laut von sich gab, und verbrannte endlich den Cörper zu Asche. Gedachte Einwohner gaben ferner vor, daß alle, welche von den Vampyren geplagt und umgebracht würden, ebenfalls zu Vampyren werden müsten. Also verrichteten sie an den vier obberührten Personen gleiche Execution.
Der Arnod Paole solte nicht allein die Leute, sondern auch das Vieh angegriffen, und ihnen das Blut ausgesauget haben, und weil die Leute das Fleisch von diesem Vieh genutzet, so zeigte sichs aufs neue, daß sich wieder Vampyren daselbst befänden. In Zeit von drey Monaten waren siebenzehn junge und alte Personen gestorben, und zwar einige darunter ohne vorher gehabte Kranckheit in zwey oder längstens drey Tagen. Einer, Nahmens Joviza, meldete, daß seine Schwieger-Tochter vor 15. Tagen sich frisch und gesund schlafen gelegt, um Mitternacht aber sey sie mit einem entsetzlichen Geschrey, Furcht und Zittern aus dem Schlafe aufgefahren, und geklagt, daß sie von einem vor 9. Wochen verstorbenen Heyducken Sohn, Nahmens Milloe, sey um den Hals gewürget worden. Worauf sie von Stund an schlechter worden, Schmertzen auf der Brust empfunden, und den dritten Tag gestorben. Darauf öffnete man die verdächtige Gräber: 1) Eines Eheweibes, Nahmens Stana, 20. Jahr alt, so vor 2. Monaten, 3. Tage nach ihrer Niederkunfft gestorben, und vorher selbst ausgesaget, daß sie sich mit dem Blute eines Vampyrs gestrichen, folglich auch ein Vampyr werden müste. Der Cörper war vollkommen und unverweset. In der Höhlung der Brust fand sich frisches extravasirtes Geblüte. Die Haut an Händen und Füssen samt den alten Nägeln fielen von selbst herunter, hergegen zeigten sich, nebst einer frischen und lebhaften Haut, gantz neue Nägel; 2) Ein Weib, Nahmens Miliza, von 60. Jahren, war vor etlichen neunzig Tagen, nach drey monatlicher Kranckheit gestorben. In der Brust befand sich viel liquides Geblüte, und das Eingeweide war gleich der vorgemeldten in gutem Stande. Die umstehende Heyducken sagten, das Weib wäre Zeit Lebens mager und ausgedörret gewesen, ietzo aber war ihr Leib fett und vollkommen. Sie solte damahliger Zeit den Anfang der Vampyren gemacht haben, weil sie das Fleisch von den Schafen, die von Vampyren umgebracht worden, gegessen; 3) Ein achttägiges Kind, welches neuntzig Tage im Grabe gelegen; und 4) Vorgedachter Milloe befunden sich in Vampyren-Stand. Mit dem 5. 6. und 7den Cörper hatte es gleiche Beschaffenheit. 8) Ein Weib samt ihrem Kinde, welche vor 7. Wochen, ihr Kind aber, welches 8. Wochen alt gewesen, und vor 21. Tagen gestorben, waren beyde völlig verweset, ob sie gleich nahe bey den Gräbern der Vampyren lagen. 9) Ein Knecht, 23. Jahr alt, war in drey monatlicher Kranckheit gestorben, und ward nach 5. monatlicher Begräbniß völlig verweset gefunden. 10) Ein Weib mit ihrem Kinde, so vor fünff Wochen gestorben, waren gleichfalls verweset. 11) Stancko, ein Heyducke von 60. Jahren, der vor sechs Wochen gestorben, war im Vampyren-Stand. 12) Ein Heyduck, Nahmens Milloe, gleichergestelt. 13) Stanjoicka, eines Heyducken Weib, war vor 48. Tagen begraben worden. Sie sahe im Gesichte gantz roth und lebhaft aus, und war, wie obgemeldet, von Milloe um den Hals gewürget worden. Rechter Seite unter dem Ohr hatte sie einen blauen mit Blut unterlauffenen Flecken, eines Fingers lang. Bey Eröffnung ihres Sarges floß viel frisches Blut aus der Nase. Dergleichen fand sich auch bey der Secirung in der Höhle der Brust, und Ventriculo cordis. Die Viscera waren in gesundem und gutem Stande. Die Unterhaut an dem gantzen Cörper samt denen frischen Nägeln an Händen und Füssen waren gleichfalls gantz frisch. Darauf wurden denen Vampyren die Köpfe herunter geschlagen, und samt den Cörpern verbrannt, die Asche davon in den Fluß Morava geworffen: Die verwesete Leiber aber wieder in ihre Gräber geleget.
Man darf bey allen diesen Begebenheiten nur mercken, daß sie sich unter denen Rätzen, welche sich zur Griechischen Religion bekennen, zugetragen, alsdenn wird man sich gar leicht darein finden können. Die Griechische Christen glauben, daß der Teufel über die Cörper derjenigen, die im Bann gestorben, volle Gewalt habe, sie besitze und gleichsam beseele, auch dadurch den Lebendigen viel Schaden zufüge. An Historien und Exempeln davon fehlet es unter ihnen nicht. Sie wollen dergleichen Cörper gefunden haben, die gantz frisch und lebhafft ausgesehen, ob sie gleich lange Zeit unter der Erde gelegen, woraus sie schliessen, daß diese Cörper äßen und verdaueten, auch des Nachts herum wanderten.
Nach Monsieur de Ricaut Bericht, vom Zustande der Griechischen Kirche p. 59. soll in der Insel Scio die Gewohnheit seyn, daß wenn die Leute des Nachts gerufen werden, sie das erste mahl nicht antworten, weil sie besorgen, es möchte vielleicht ein dergleichen Gespenste seyn, dem man nicht antworten müste, wo man nicht sterben wolte. Dieser Autor setzt hinzu, daß man auch daselbst alle plötzliche Todesfälle solchen verbanneten Cörpern pflege zu zuschreiben.
Eine eintzige besondere Historie, welche eben diesr Autor beybringet, kan einem von dem Aberglauben der heutigen Griechen in dieser Materie überzeugen. Ein Mensch flüchtete wegen eines Verbrechens aus Morea in die Insel Milo, und entgieng dadurch der Strafe der weltlichen Obrigkeit, aber nicht dem Banne, womit er beleget ward. Dieser starb, und ward an einen abgelegenen Ort begraben. Allein die Einwohner gedachter Insel wurden alle Nachte durch seltsame Gespenster erschreckt, und als sie das Grab wieder öffneten, funden sie den Cörper von lebhaffter Farbe, die Adern waren vom Blute gantz aufgeschwollen, und der Sarg mit Trauben, Aepfeln, Nüssen und andern Früchten damahliger Jahres-Zeit angefüllet, welche er, nach der Griechen Einbildung zu seiner Speise und Nahrung eingetragen. Man berichtete die Sache an den Patriarchen zu Constantinopel, bat ihm um die Erlassung des Bannes, und setzte indessen den Cörper in die Kirche. Eines Tages entstand nach vielem Gebet und Opffern im Sarge ein Tumult, und es fand sich, daß der Leichnam gantz verfaulet und verweset war. Und solches solte, wie man hernach erfahren, zu der Stunde geschehen seyn, in welcher der Patriarche die Erlassung des Bannes unterzeichnet. Worzu aber ein starcker Glaube gehöret.
Die Griechen nennen dergleichen im Bann verstorbene Cörper, Buthrolaccas oder Burcolaccas, von βοῦϱϰα, ein stinckender Koth, und λάϰϰος, ein Grab oder Graben. Wiewohl andere solche Benennungen lieber durch reissende Wölffe übersetzen wollen. Von diesen Burcolaccas haben sonder Zweifel auch die Vampyren ihren Ursprung hergenommen, weil zwischen ihnen eine vollkommene Aehnlichkeit angetroffen wird. Die Burcolaccas sollen die Menschen plötzlich umbringen, die Vampyren auch. Die Burcolaccas essen in den Gräbern, wovon sie frisch und lebhafft bleiben, die Vampyren aber saugen zu ihrer Nahrung den Lebendigen das Blut aus, und werden dadurch in unverweseten und lebhafften Stande erhalten. Mit den Burcolaccas verfähret man also, daß man sie aus den Gräbern hervorlanget, ein groß Feuer macht, ein Todten-Opffer anstellt, den Bann aufhebt, und sie endlich verbrennet. Nicht viel anders verfähret man mit den Vampyren. Man hauet ihnen den Kopf ab, oder schlägt ihnen einen Pfahl durchs Hertz, und verbrennet sie auch zu Asche. Ein eintziger Unterscheid findet sich zwischen ihnen. Die Burcolaccas sind verbannete Cörper, die Vampyren aber nicht. Wenigstens findet man in obigen Berichten nicht, daß die Vampyren solten in Bann verstorbene Cörper gewesen seyn. Allein dieser Unterscheid will nicht viel sagen; Denn nachdem man einmahl die plötzliche Todesfälle den verbannten Leichnamen zugeschrieben, so hat man leicht weiter verfallen und glauben können, daß andere todte Cörper, die nicht in öffentlichen Bann gestorben, eben dergleichen würckten. Es muß doch manchmahl Mühe setzen, dergleichen schädliche Cörper zu entdecken. Daher sollen die alten Sclavonier im Gebrauch gehabt haben, daß sie ein gantz schwartzes Pferd auf die Kirchhöfe lauffen lassen, und acht gegeben, bey welchen Gräbern es stille gestanden. Diese hielt man denn für Vampyren-Gräber.
Allein dieses sowohl als alles übrige, welches die abergläubische Griechen von den Burcolaccas und Vampyren glauben, ist eine blosse Einbildung, und handgreiffliche Fabel. Wie solte es dem Teufel möglich seyn, einen Cörper, der des Lebens beraubet ist, wiederum zu beseelen, ihn aus dem Sarge durch das dicke Erdreich heraus und wieder hinein zubringen, ohne daß weder Sarg noch Grab geöffnet würde? Von den andern ungereimten Dingen, die dabey vorkommen, nichts zu gedencken. Gleichwohl ist diese wunderliche Meynung von den Griechen auf andere Nationen kommen, und hat sonder Zweifel auch zu unsern schmatzenden Todten Gelegenheit gegeben.
Von dem gemeinen Volck in Istria schreibt der Baron Valvasor in Topographia Carniolae Lib. 6. cap. 10, wie es in dem Wahn stünde, daß es gewisse Zauberer gebe, die den Kindern das Blut aussaugen; Einen solchen nennen sie Strigon, ingleichen auch Vedarez. Wenn ein Strigon stirbt, so soll er um Mitternacht herum gehen, und an die Häuser klopffen. Aus dem Hause aber, wo er angeklopfft, muß bald darauf einer sterben. Geschicht es denn, so sagen die Bauern, der Strigon habe ihn gefressen. Sie glauben auch, diese verstorbene Zauberer machten sich des Nachts Zeit an die Weiber, welche sie würcklich beschliefen. Solchem Uebel zu steuren, öffnen sie nach Mitternacht das Grab, schlagen dem todten Cörper einen Pfahl von Dornholtz durch den Bauch, worauf das Blut hervor rinnen, der Leichnam sich krümmen und liegen soll, als ob er lebte, und die Schmertzen fühlete. Alsdenn verschütten sie das Grab mit Erde, und lauffen davon.
In Pohlen weiß man auch von solchen Todten vieles zu erzehlen, die in ihren Gräbern noch fressen, als Gespenster herum wandern, und die Leute in der Nachbarschafft umbringen sollen. Sie werden daselbst Upierz und Upierzyca genennet. Acta Erud. 1722. p. 17.
In Schlesien, und zwar in einem Dorffe Hozeploz genannt, sollen die Menschen nach dem Todte sehr oft zu den ihrigen zurückkommen, mit ihnen essen und trincken, ja gar mit ihren hinterlassenen Weibern sich fleischlich vermischen. Wenn reisende Leute zu der Zeit, da sie aus den Gräbern herauskommen, durch das Dorff paßiren, lauffen sie ihnen nach, und hucken auf ihre Rücken. Bes. eines Weimarischen Medici muthmaßliche Gedancken von denen Vampyren, p. 13. 14.
Alle diese Länder sind den Griechen am nächsten; darum ist es augenscheinlich, daß sie ihre fressende und würgende Todten denselben zu dancken haben. Weil aber die Meinung, daß die todten Cörper aus dem Grabe hervorgehen, und also die Menschen umbringen sollen, sehr grob ist; so haben es andere, insonderheit unsere Teutschen, etwas subtiler machen wollen. Sie lassen die todten Cörper immer im Grabe liegen, aber wacker schmatzen, und ihr Leichen-Geräthe, Hände und Füsse zufressen, und dadurch ihre Freunde und Anverwandten umbringen. Man siehet das letztere noch für ungereimter an, weil gar nicht zu ergründen stehet, was das Schmatzen und Fressen der Todten den Lebendigen schaden solte.
Das Vorgeben der Griechen von der Unverweslichkeit der excommunicirten Cörper ist nicht nur ein Aberglaube, sondern es stecket auch darunter ein Interesse ihrer Popen oder Priester. Ein gewisser Griechischer Abt, welcher vor einiger Zeit Europa durchreisete, gab dem Herrn Rector Stuß auf Befragen: Wie es komme, daß der Bann, da man auch auf die Leiber einen so abscheulichen Fluch leget, in Griechenland so offt gebraucht werde? zur Antwort: Es müsse derselbe offt gebraucht werden, weil er in Streitsachen, Vergleichen, Schuldforderungen, Diebshändeln, bey falschen Zeugnissen und dergleichen Fällen, (immassen sie mit keinen Processen vor Türckische Gerichte kommen dürfften), an statt eines Endes sey. Wer sich diesen Fluch auflegen liesse, und den Kläger nicht befriedige, der müsse solchergestalt unrecht haben. Wenn aber nach dem Todte sein Cörper bey der gewöhnlichen Untersuchung, dieses Fluchs wegen, aufgeblasen und verhärtet angetroffen werde, und die Anverwandten denselben von dem Fluch wolten gelöset haben, so müsten sie Satisfaction thun, wovon sonder Zweifel die Geistlichkeit auch ihr Theil empfangen wird. Besiehe Gründliche Auszüge aus denen Disputationen II Band, p. 594. Also ist der Griechischen Clerisey an solchen Vorgeben gar zuviel gelegen, als daß sie diesen Aberglauben solten erkennen und abschaffen.
Weil auch die Unverweslichkeit der todten Cörper seine natürliche Ursachen haben kan, so darff man sie nicht dem Bann zuschreiben, auch daraus kein Wunder machen. Die Aufhebung des Bannes mag auch nicht zuwege bringen, daß die Cörper alsobald in Staub und Asche verfallen; sondern es gehet gantz natürlich zu, daß einige Cörper noch gantz zu seyn scheinen, aber durch ein geringes Anrühren zu Asche werden, wovon die Ursache gnungsam bekannt ist. Wir kommen nunmehro zu den Vampyren, und wollen noch die Umstände erwegen, die sich dabey ereignet haben. Die Unverweslichkeit der Cörper ist das erste, warum man sie für Vampyren gehalten. Allein wer folgende Ursachen bedenckt, die einen todten Cörper eine Zeitlang unverweslich erhalten können, wird dieselbige nicht für ein Kennzeichen eines Vampyrs annehmen. Ein menschlicher Cörper ist schon mehr zur Fäulung geneigt, als der andere.
Wovon man ein Exempel beym Ammiano Marcellino Lib. 19. Cap. 9. findet. Der Persische König Sapor belagerte die Stadt Amida, und verlohr davor dreyßig tausend Mann. Hernach fand sich unter den Todten ein grosser Unterscheid. Die Leiber der Römischen Soldaten verfauleten bald und zerflossen; Derer Perser aber wurden dürre wie ein Stock, und blieben ohne Fäulniß. Solches soll daher kommen seyn, weil die Perser sparsamer gelebet, und in einem hitzigen Lande gebohren worden. Vielleicht werden auch die Leiber der Griechen durch das strenge Fasten, und einfache Speisen sehr ausgetrocknet, daß sie daher nicht so geschwinde verfaulen, als andere Cörper die blutreich und voller Saft sind.
Solches kan auch von der Kranckheit herrühren, woran ein Mensch stirbt. Sintemahl diejenigen, welche an einer auszehrenden und ausdörrenden Kranckheit sterben, nicht so leicht als andere verfaulen. Ein hohes, sandigtes, steinigtes und salpeterichtes Erdreich kan auch die Leiber eine Zeitlang für Fäulung schützen; Nicht weniger auch die Kälte dazu viel beytragen, und was dergleichen Ursachen mehr sind, wodurch die Cörper natürlicher Weise unverweset erhalten werden.
Das lebhaffte Ansehen, und Geblüte, so sich bey den Vampyren gefunden, ist auch von der Beschaffenheit nicht, daß man daraus etwas sonderbares schliessen müste. Weil die Cörper noch unverweset waren, so war ihr Ansehen freylich lebhaffter als der andern, die schon zu faulen anfiengen, und eben deswegen gaben sie auch keinen sonderlichen Todten-Geruch von sich. Was das bey ihnen befundene Blut anlangt, so berichten die Artzneyverständige, daß verschiedene Cörper entweder gleich, oder einige Stunden nach ihrem Todte geblutet haben. Sie setzen hinzu, es könne solches vielmehr geschehen, wenn todte Cörper viertzig Tage, oder länger, im Grabe gelegen, und zu faulen angefangen.
Das Wachsen der Haare und Nägel an Händen und Füssen könnte auch wohl natürlich zugehen. Jedoch ist lieber dem gelehrten Weimarischen Medico in seinen muthmaßlichen Gedancken von den Vampyren p. 68. 69. beyzustimmen, welcher dafür hält, es schiene nur, als ob Haare und Nägel gewachsen, in der That aber wären sie nicht gewachsen, sondern die Sache verhalte sich also: Weil nach dem Todte der Umlauff des Geblütes aufhöret, und kein Geblüt mehr zu der Oberfläche des Cörpers geführet wird, so wird die Haut, und die darunter liegende fleischigte Theile, nach und nach welck, fallen zusammen und schwinden gleichsam, daß nachmahls nicht nur die Haare, sondern auch die Nägel an den todten Cörpern, bis auf die Wurtzel sich unsern Augen zeigen. Es kan auch seyn, daß manche Cörper mit langen Haaren und Nägeln begraben worden, und weil man darauf nicht acht gehabt, hat man geglaubt, sie müsten erst nach dem Tode gewachsen seyn.
Das Vorgeben der Lebendigen, wie sie von den Vampyren im Schlaf ergriffen, gedrückt, und ihnen das Blut ausgesogen würde, ist eine blosse Einbildung dieser furchtsamen Leute gewesen, und ihr Todt nicht durch die Vampyren, sondern durch eine ansteckende Kranckheit, die unter ihnen damahls graßiret, befördert worden. Setzt man ferner, daß sich bey solcher Kranckheit der Incubus, oder das sogenannte Alpdrücken als ein Symptoma befunden, so hat man auch eine natürliche Ursache des Drückens und Würgens. Man darf sich nicht wundern, wenn die einfältigen Leute dieses Drücken den Vampyren zugeschrieben, da es unter uns Leute giebt, die aus dem Alp einen bösen Geist machen, der ihnen durch Hexerey auf den Leib gebannet worden.
Die meisten Meynungen, z. E. des Putonei, des belobten Weimarischen Medici in den muthmaßlichen Gedancken, und D. Johann Wilhelm Albrecht im Tractat de Effectibus Musices in corpus animatum §. 18. 19. gehet dahin: Es habe unter denen Leuten eine ansteckende Kranckheit graßiret, wodurch die Menschen plötzlich dahin gerissen worden. Weil aber solche Kranckheit auch ihre Phantasie verwirret, oder der Alp sich dabey gefunden, so sind sie auf die Einbildung gerathen, als würden sie von den Verstorbenen gedrückt, und ihnen das Blut ausgesogen. Zumahl da sie nach der Lehre der Griechischen Kirche alle plötzliche Todes-Fälle gewissen verstorbenen Cörpern zuzuschreiben pflegen. Diese Meynung ist die sicherste und beste. Denn wenn man von einer Begebenheit natürliche Ursachen angeben kan, muß man dabey bleiben, und nicht die Geister oder verborgene Eigenschaften mit ins Spiel mengen.
Besiehe Johann Christian Stock in Dissert. Physica de Cadaveribus sanguifugis, Jena 1732. Tharsanders Schauplatz I Th. p. 458. u. ff. Ausser diesen sind noch folgende Schrifften von dieser Materie ans Licht getreten: 1) Putoneus in einer besondern Nachricht von denen Vampyren, Leipzig 1732. in 8. 2) Visus & Repertus über die sogenannten Vampyrs, Nürnb. 1732. in 8. 3) Actenmäßige und umständliche Relation von denen Vampyren, Leipz. 1732. in 8. 4) Gottl. Heinr. Voigts kurtzes Bedencken von denen Actenmäßigen Relationen, wegen derer Vampyren, Leipz. 1732. in 8. 5) W.S.G.E.A. Curieuse und sehr wunderbahre Relation von denen sich neuer Dinge in Servien erzeigenden Blut-Saugern oder Vampyrs, 1732. in 8. 6) Christoph Friedrich Demelii Philosophischer Versuch, ob nicht die merckwürdige Begebenheit derer Blut-Sauger aus denen Principiis Naturae erläutert werden könne. Wien 1732. in 8. 7) Eines Weimarischen Medici, D. Joh. Christ. Fritschii, muthmaßliche Gedancken von denen Vampyren, Leipzig 1732. in 8. 8) Schreiben eines guten Freundes an einen andern guten Freund, die Vampyren betreffend, in Fol. 9) Dissertatio Physica de Cadaveribus sanguifugis, unterm Vorsitz Johann Christ. Stockii, Jena 1732. in 4. 10) Ottonis Graben zum Stein unverlohrnes Licht und Recht derer Todten unter den Lebendigen, Berlin und Leipzig in 8. 11) M. Joh. Christoph Pohlii, Dissert. de Hominibus post mortem sanguifugis, Leipzig 1732. in 4. 12) Johann Christ. Harenberg vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampyrs oder Blutsaugenden Todten, Wolffenbüttel 1732. in 8. 13) Joh. Heinrich Zopffii Diss. de Vampiris Serviensibus, Duisburg 1733. in 4. und 14) M. Michael Ranffts Diss. I. & II. de Vampyris, und andere mehr.
— Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. XLVI, coll. 474–482.
Vampir, nach dem Volksglauben, namentlich der slawischen, rumänischen und griechischen Bevölkerung der untern Donauländer und der Balkanhalbinsel, Geist eines Verstorbenen, der des Nachts sein Grab verläßt, um Lebenden das Blut auszusaugen, von dem er sich nährt. Da dieser Aberglaube noch jetzt sehr verbreitet ist und sofort auftritt, wenn in den betreffenden Gegenden einem Familienmitglied andre schnell in den Tod nachfolgen oder hinsiechen, so hat man allerlei Vorsichtsmaßregeln und Gegenmittel, zu denen das Bedecken des Mundes, das Mitgeben von allerlei Beschäftigungsmitteln im Sarg sowie namentlich das Hauptabschlagen des wiederausgegrabenen Toten und Durchstoßen mit einem Holzpfahl gehört. In diesem Wahn führt der Glaube an Vampire häufig zu Leichenschändungen und Friedhofsentweihungen. Abarten des Vampirs sind: der Nachzehrer der Mark, der Blutsauger in Preußen und der Gierfraß in Pommern; die Wilis oder Willis, vor der Hochzeit gestorbene Bräute, die jungen Burschen erscheinen, sie zum endlosen Tanz verlocken, bis sie tot hinstürzen. Alle diese Sagen haben sich wohl aus den klassischen Gestalten der Lamien und Empusen (s. d.) entwickelt. Dichterisch behandelt wurde die Sage bereits im Altertum von Philostratus und Phlegon von Tralles (aus welchem Goethe den Stoff zu seiner »Braut von Korinth« entnahm), in neuerer Zeit von Byron sowie in verschiedenen Opern und Balletten. Vgl. Ranft, Traktat von dem Kauen und Schmatzen der Toten in Gräbern (Leipz. 1734).
— 4. Auflage , 1890. XVI, p. 45.
Da die Landesinnwohner in ihrer Leichtgläubigkeit nicht nur so weit gehen, daß sie dasienige, was ihnen ein Traum, oder Einbildung vorstellet, oder durch andere betrügerische Leute vorgespiegelt wird, für Gespenster und Hexerei halten, nicht minder den für besessen sich ausgebenden Leuten alsogleich Glauben beimessen, sondern daß sie auch in dieser ihrer Leichtgläubigkeit öfter von einigen mit Vorurtheile eingenommenen Geistlichen gestärket werden; wie dann letzthin in Marggrafthum Mähren die Sache soweit getrieben worden ist, daß von der Geistlichkeit verschiedene Körper unter dem Vorwande, daß sie mit dem sogenannten Magia posthuma behaftet gewesen, aus dem Freudhofe ausgegraben, und einige davon verbrennet worden, wo doch hiernächst bei der erfolgten Untersuchung sich nichts anders, als was natürlich war, befunden hat. Mithin wird verordnet, daß künftighin alle dergleichen Sachen von der Geistlichkeit, ohne Beitretung des Politikums nicht vorgenommen, sondern allemal, wenn ein solcher Fall eines Gespenstes, Hexerei, Schatzgräberei, oder eines angeblichen von Teufel Besessenen vorkommen sollte, derselbe der politischen Instanz sofort angezeiget, mithin von dieser mit Beiziehung eines vernünftigen Phisikus die Sache untersuchet, und eingesehen werden soll, ob, und was für Betrug darunter verborgen, und wie sodann die Betrüger zu bestrafen wären.
Verordnung Wien vom 1. März 1755.
Vorrede I. Vom Vampyrismus überhaupt II. Ob die Körper der Vampyren faulen? III. Ob die Vampyren die Lebendigen durch Erscheinungen &c. beunruhigen?
Die vorhergehende Schrift, Abhandlung des Daseyns der Gespenster, welche mir von meinem gelehrten Freunde zum Drucke zu befördern ist geschickt worden; ist mit größter Deutlichkeit, mit bester Ordnung, mit gründlicher Gelehrtheit abgefasset. Diese wenigen Bogen einer so nutzbaren Abhandlung bringen dem Verfasser mehr Ehre, und dem Vaterlande mehr Vortheil, als wenn er ganze schweißtreibende Folianten von scholastischen, thomistischen, scotistischen, mollinistischen, und was weis ich, von was noch für istischen Materien zusammen geschrieben hätte. Der Verfasser dieses Werkchens hat der gelehrten Welt schon mehrere dergleichen Abhandlungen nützlicher Materien gelieferet, und stehet wirklich schon von zweyen Jahren her mit einem andern sehr gelehrten Werke zum Drucke fertig, welches ich zum Theil eingesehen, gelesen, bewunderet habe. Aber seine kümmerliche Umstände gestatten es ihm nicht, damit ins Tageslicht zu tretten. Nur schade, daß, ungeacht unser Baiern nicht gar viel gelehrte Patrioten aufweisen kann, man einen so herrlichen Kopf in musenfeindlichen Gegenden im verborgenen schmachten läßt, an statt ihn mit Sorgfalt zu suchen. Sein geringes Vermögen, und als ein Landeskind gebohren zu seyn, sind vieleicht die ächten Ursachen, welche ihn, wenn er auch bekannt seyn würde, wo nicht der Verachtung, doch einer kalten Gleichgültigkeit bloß stellen würden. Zum wenigsten hat der ehrliche Mann nicht Schulde daran, wenn er mit all seiner Fähigkeit dem Staate nichts nützet, und vor andern nicht gesucht wird.
Ipse licet venias Musis comitatus Homere,
Si nihil attuleris, ibis, Homere, foras.
[Ovid: Ars amatoria II, 279-280]
Nur Fürsten, Königen, sagt Corneille in seinen Horatziern, nur den Großen dieser Erde, nur erhabenen Geistern kömmt es zu, das wahre Lob um das Vaterland bestverdienten Männer der ewigen Unwissenheit zu entreissen; diesen fehlt es niemal an Mitteln, die Tugend auch in ihren kleinsten Handlungen groß zu machen.
C’est aux Rois, c’est aux Grands, c’est aux Esprits bien faits,
A voir la vertû pleine, en ses moindres effets.
C’est d’eux seuls qu’on reçoit la veritable gloire;
Eux seuls des vrays heros assûrent la memoire.
Nachdem also dieser gelehrte Mann von dem Daseyn der Gespenster so gründlich gehandelt, so nehme ich Anlaß, einige Anmerkungen über die vorgegebene Zauberey der Abgestorbenen unter dem Titel Vampyrismus anzuhangen, weil diese der ersten Materie ganz ähnlich ist.
Diese Anmerkungen über die vorgegebene Zauberey der Abgestorbenen, lateinisch Magia Posthuma, wurde im Jahre 1755. im Märzmonat in französischer Sprache von einem der berühmtesten Männer, die Europa aufzeigen kann, nämlich von Herrn Baron Gerhard van-Swieten, ersten Leibarzten Ihrer kaiserl. Majestäten, und damaligen Hofbibliothecarius, den seine immer anwachsende Verdienste indessen zu größern Titel, Ansehen und Ruhm erhoben haben; zu Wienn verfasset, und gedrucket.[a] Sie ist bald hernach im Hornung 1756. von einer gleichfalls gründlichen Feder ins Deutsche versetzet worden.
Ich unterlasse hier diesem schönen, und höchst nutzbaren Werke das billige Lob zu sprechen, welches ihm kein unpartheyischer Leser wird versagen können. Denn des Verfassers Ruhm (den die forschende dankbare Nachwelt mit Ehrfurcht seiner Asche in die ewige Jahre hinein zollen wird) ist ohnehin schon so groß, daß ihm durch meine geringschätzige Lobsprüche wohl nicht vieles zuwachsen wurde. Des gelehrten Uebersetzers Namen aber verschweige ich gar, weil es mir aus unbekannten Ursachen nicht erlaubt ist, ihn zu nennen. Er ist durch ein großes Werk, mit welchem er viele nützliche Erkenntnissen und Wissenschaften aus dem Alterthum der Vergessenheit entrissen hat, den Gelehrten genug bekannt geworden, und wird es bis zur Unsterblichkeit werden, durch ein noch größeres Werk, zu dem alle Liebhaber der feinen Musen mit Eifer schon wirklich pränumeriren.
Im nämlichen Jahre 1756. im Octobermonat wurde dieses Werk aus der französischen auch in die italienische Sprache übersetzet, vom Uebersetzer mit gelehrten Anmerkungen bereichet, und zu Rovereid gedrucket. Diese Uebersetzung führet den Titel: Considerazione intorno alla pretesa Magia Postuma presentata al supremo Direttorio di Vienna dal Signor Barone Gerardo Van-Swieten Archiatro delle Cesaree Maestà, e Prefetto della loro Bibliotheca. Dal Francese nell’Italiano recata con annotazioni del traduttore. Roveredo ai 26. Ottobre 1756.
Die wälschen Anmerkungen werde ich ins Deutsche übersetzen. Das deutsche Werkchen selbst aber werde ich getreulich so liefern, wie es aus der Feder des gelehrten Uebersetzers geflossen ist. Daß ich den Titel: Anmerkungen über die vorgegebene Zauberey der Abgestorbenen, welchen sowohl die französische als italienische Schrift führet, nicht beibehalten habe, ist darum geschehen, weil ich eben auch in diesem Stücke dem deutschen Uebersetzer folgen wollte, der seiner Arbeit den Namen Vampyrismus schöpfte.
Der Aberglauben vom Vampyrismus wird lateinisch Magia Posthuma, oder Zauberey der Abgestorbenen, genennet. Die Vampyren aber sind verstorbene Menschen, welche6 zuweilen später, zuweilen eher aus dem Grabe aufstehen, den Menschen erscheinen, das Blut aussaugen, an die Hausthüren ungestümm anklopfen, Getöse im Hause erwecken, und öfters gar den Tod verursachen sollen. Wessentwegen dann auch sehr viele kaiserl. königl. scharfe Befehle in alle Erbländer ausgeschicket worden, diesem Abentheuer des Aberglauben Schranken zu setzen, dergleichen nur unter Barbaren, Ignoranten, oder Boshaften zu finden sind. In allen christcatholischen andern Ländern ist diese schädliche Meinung unbekannt. Nur in Ungarn, Mähren, Pohlen und Schlesien findet sie ihre Anhänger. Der Anfang dieses Uebels mag seinen Grund wohl ohne Zweifel in der schismatischen griechischen Einfalt haben, welche glaubt, daß der Teufel an statt der Seele den Körper des Menschen besitzen könne.
Außer dieser kurzen Erinnerung weis ich meinem Leser nichts mehr zu sagen, als daß ich mich seiner Gewogenheit und Freundschaft ergebenst empfehle.
Wann die Menschen außerordentliche Wirkungen wahr genommen, derer Ursache sie nicht erkenneten, so leiteten sie dieselben von einer höheren Macht her, als diejenige ist, welche die Menschen besitzen. Die Geschichte zeiget uns in allen Jahrhunderten deutliche Spuren davon.
Nun ist es gewiß, und durch die heilige Schrift bestättiget, daß GOtt mit seiner Allmacht entweder unmittelbar durch seinen Willen, oder durch die heiligen Engel, Propheten, Apostel und andere Heiligen, die erstaunlichsten Werke hervorgebracht habe.
Die Kirchengeschichte kann dessen auch die Unglaubigsten überführen, daß diese Wunderwerke in den ersten Zeiten des Christenthums zu unzähligen malen geschehen sind. Gelehrte und redliche Protestanten sogar haben es nicht läugnen können, daß der heilige Indianerapostel durch offenbare Wunderwerke seine Mißion erwiesen habe. Es ist auch gewiß, daß der böse Geist durch Zulassung GOttes Werke gethan, welche natürliche Ursachen gänzlich übersteigen. Was sich mit unserem Heilande zugetragen hat, als er in der Wüste in Versuchung geführt worden, ist allein genug, es zu erweisen. Kein Christ kann es läugnen, daß es Menschen gegeben habe, welche vom bösen Geiste besessen waren; mithin der böse Geist über die menschlichen Leiber eine Macht habe.
Eben also ist es auch wahr, daß der Teufel durch Getümmel, durch abscheuliche Verblendungen &c. die Menschen in Furcht gebracht8 habe. Selbst die Protestanten bekennen es, daß die Heyden, welche in Indien die Götzen anbethen, alle die Bosheiten ihres verfluchten Meisters erfahren, dem sie dienen; sobald sie aber durch das Heil. Sacrament der Taufe von der Leibeigenschaft des Teufels los, und Mitglieder der Kirche werden, alle diese teuflischen Verblendungen ein Ende nehmen, welches zur Bekehrung sehr vieler Heyden Anlaß gegeben hat.
Daher ist hier die Frage nicht: ob dergleichen außerordentliche Wirkungen möglich sind? sondern die ganze Schwierigkeit beruhet darauf, zu erweisen, daß ein gewißer Zufall wirklich geschehen; und, wenn er geschehen, auch zu erweisen, daß es ein solcher Zufall sey, welcher die Kräften der natürlichen Ursachen übersteige.
Seitdem die Wissenschaften und Künsten in Aufnahm gekommen sind, hat man auch die natürlichsten Ursachen derjenigen Wirkungen, welche die Unwissenden in Erstaunen gesetzt hatten, auf das deutlichste entdecket. Zum Beispiele dessen dienen die Finsternissen, welche vormals ganze Völker, denen dieselbe als Wunderwerke vorkamen, in die entsetzlichste Furcht, in Angst und Schrecken gestürzet hatten. Die Verbesserung der Sternwissenschaft aber hat all diese Furcht vertrieben. Dieses Schauspiel, welches vormals so erschrecklich geschienen, verursachet uns keine Furcht mehr. Wir bewundern ganz ruhig die Allmacht des Schöpfers, welcher diese großen Körper, in einem so unendlich weiten Raume, mit solcher Richtigkeit, durch so viele Jahrhunderte herumwälzet, daß sogar der schwache Menschenwitz es zuwege gebracht hat, derselben Wiederkunft auch auf zukünftige Jahrhunderten bis auf eine gewiße und gesetzte Zeit ausrechnen zu können.
Das Schüßpulver, die electrischen Wirkungen, die Verblendungen durch Spiegel und andere optische Kunststücke sind von solcher Beschaffenheit, daß man einen jeden Menschen, dem sie unbekannt sind, in die größte Verwunderung setzen kann. Es haben sich auch viele Betrüger derselben bedienet, das leichtglaubige Publicum damit zu überführen, daß sie die größten Zauberer wären.[b]
Es ist auch richtig und gewiß, daß je mehr die Künsten und Wissenschaften aufnehmen, destomehr die Wunderwerke sich vermindern. Die Zauberey der Abgestorbenen (Magia posthuma) von welcher hier die Frage ist, dienet zu einem neuen Beweise.[c] Denn alle diese Begebenheiten befinden sich nur in Gegenden, in welchen die Unwissenheit noch immer herrschet. Es ist auch wahrscheinlich, daß die schismatischen Griechen die Haupturheber derselben sind.[d]
Tournefort ein gelehrter und erleuchter Leibarzt, zugleich aber der geschickteste Botanicus oder Kräuterverständige seines Jahrhunderts, da er von Ludwig dem Vierzehenten, Könige in Frankreich, in Asien geschickt worden, hauptsächlich in Griechenland diejenige Kräuter zu suchen, welche die Alten meistentheils sehr unrichtig beschrieben hatten, war selbst gegenwärtig, und sah denjenigen Körper sehr nahe, den man einer Zauberey nach dem Tode (Magiæ posthumæ) angeklagt hatte. Er sah auch alle Mittel, die man angewendet zu verhindern, damit der Teufel dieses Körpers sich nicht mehr bedienen könnte, die Lebendigen in Angst und Schrecken zu setzen.[e] Die Umstände dieses Zufalls befinden sich in dem Buche, welches den Titel führet: Voyage au Levant par Mr. Tournefort. Und weil es nach Art und Weise der Briefen geschrieben ist, so steht gemeldte Geschichte im 3ten Briefe.
Diese Begebenheit kann zu erkennen geben, was man von derjenigen halten soll, welche sich in Ungarn in den Dorfschaften der Haydonen jenseits der Theisse gegen Siebenbürgen im Jahre 1732. zugetragen hat.[f] Die Zauberey der Abgestorbenen (Magia posthuma) gieng damals in jenen Gegenden im Schwange. Man nannte die Todten, welche so boshaft waren, Vampyri, und glaubte, sie saugen sowohl uns Menschen als dem Viehe das Blut.[g] Und wenn ein Mensch von dem Fleische eines solchen Viehes etwas genossen hätte, er der Ordnung nach selbst auch zum Vampyre würde; und auf was immer eine Art er zum Vampyren werde, als nemlich ein Leidender (passivus) im Leben, so müßte er nach dem Tode ein thätiger (activus) seyn; ausgenommen, er hätte vorher von der Erde des Grabes eines Vampyres gegessen, und sich mit desselben Blute gerieben.
Allein es ist mir diese Begebenheit nur überhaupt bekannt, und ich vermeine, daß die mündliche Abhandlung (processus verbalis) über ihren Hergang im Anfange des 1732. Jahrs gehöriger Orten eingereicht worden.[h]
Die Ceremonien, welche man dabey hat beobachten müssen, sind von dem Hadvagy oder Amtmanne des Orts angeordnet worden, welcher in vampyrischen Angelegenheiten ziemlich erfahren seyn mußte. Man stossete dem Vampyre einen sehr spitzigen Pfahl durch die Brust, und durch den ganzen Körper. Hierauf wurde ihm der Kopf abgehauen. Alles wurde verbrannt, und die Asche in die Grube zusammen gescharret.
Man kann geschwinde zu Vampyre werden. Denn der Vampyrismus steckt so sehr an, als die Krätzen. Man glaubt auch, daß der Körper eines Vampyrs in kurzer Zeit alle diejenigen Körper zu Vampyren mache, welche nach ihm in eben demselbigen Kirchhof begraben werden, im Fall der erste nicht bei Zeiten vertilget werde.
Da ich aber nicht von allen Umständen Nachricht habe, so will ich mich nur damit begnügen, daß ich hier einige Anmerkungen über diejenige Begebenheiten mache, welche erst vor kurzer Zeit durch Leute untersucht worden, welche von keinem Vorurtheile eingenommen sind, sondern klar sehen, und sich nicht leicht hinter das Licht führen lassen.[i]
Es ist wahr, daß unsere Vampyren vom Jahre 1755. noch zu keine Blutsaugern geworden; die Vorbereitungen waren jedoch schon dazu vorhanden. Der Henker, ein in seinem Handwerke ohne Zweifel sehr wahrhafter Mann, versicherte, daß, wenn man die zum Feuer verurtheilten Körper in Stücke zerhieb, das Blut mit Gewalt, und häufig daraus hervorschöße, ob er schon hernach mit gröster Gelassenheit bekannte, daß dieses häufige Blut etwann einen Löffel voll ausmachen könnte. Dieses ziehet in der Geschichte eine ziemliche Veränderung nach sich.
Die außerordentlichen Vorfallenheiten, welche man will beobachtet haben, können in diese zween Punkten zusammen gezogen werden. Erstlich, daß die Körper der Todtenzauberer oder Vampyren nicht faulen, sondern ganz, und beisammen bleiben. Zweytens, daß die Vampyren die Lebendigen durch Erscheinungen, Getümmel, und durch Druckungen beunruhigen. Uber diese zween Punkten werde ich so kurz, als es möglich ist einige Anmerkungen machen.
Ein Körper ist gemeiniglich zur Verfäulung gerichtet, durch welche alle Theile des Körpers, ausgenommen die Beine, fast gänzlich verschwinden, und nur ein wenig von einer sehr leichten Erde zurück lassen. Diese Fäulung aber geschieht im Grabe langsam ohne der geringsten Gewalt.
Dieses wird dadurch erwiesen, daß, wenn man einen Sarg fünfzehen Jahre nach desselben Begräbniß eröffnet, und sich in acht nimmt, daß der Sarg keinen Stoß bekommt, man vermeinet, der Körper liege unverletzet darinne. Mann kennet die ganze Gesichtsbildung, das Leilach, und all Ubriges. Sobald man aber den Sarg nur ein wenig beweget, so zerfällt alles in Staub, und das Gebeine allein verbleibet.
Dieweil die Todten mit der Zeit ihren Nachfolgern des Grabes halber Platz machen müssen, so hat man an vielen Orten 15. Jahre bestimmet, vor deren Verlauf die Todtengräber keinen Körper bewegen dörfen. Ich bin einigemale bei Eröffnung der Gräber gewesen, daß die Todtengräber mir einige Sargen ganz langsam aufgemacht. Hierdurch wurde ich überzeugt, daß wir nach unserem Tode den Würmen nicht zur Nahrung werden, zum wenigsten nicht allezeit, weil sonst die Gesichtsbildung nicht wäre stehen geblieben.
Wenn man die Gräber ausräumt, so findet man zu Zeiten ganze Körper, welche nicht verfault, sondern vielmehr ausgetrocknet, von einer braunlichten Farbe sind, und noch sehr hartes Fleisch haben, ohne daß man sie jemal vorhero einbalsamiret hätte. Ein Todtengräber versicherte mich, daß man unter hundert Todten gemeiniglich einen findet, welcher nur ausgetrocknet und ohne Fäulung sey. Hieraus schlüsse ich, daß ohne Beihilfe einer übernatürlichen Ursache, ein Körper viele Jahre ungefault bleiben könne.
Ich weis wohl, daß man vorgiebt, der Körper eines Vampyrs verbleibe nicht allein ohne Fäulung, sondern es bestehe das Fleisch auch in ihrer Frische, die Gliedmassen behalten ihre Bügsamkeit. Allein auch dieses findet man ohne Wunderwerk.
Da man die Körper der zween Erzherzoginnen, welche zu Brüssel gestorben, nach Wien überbracht hatte; so war ich gegenwärtig, als man die Sargen eröffnete. Die Gesichter waren ganz und die Nasenspitze beweglich &c. Es ist wahr sie waren einbalsamiret; allein die aromatischen Kräuter, die man dazu gelegt, waren schon ohne dem geringsten Geruch. Diese Erhaltung muß also zuvorderst den wohlverschlossenen bleiernen Sargen zugeeignet werden, welche nirgends keine Luft zuliessen, und also die Fäulung verhinderten.
Wann demnach die Sarg wohl verschlossen, die Erde von Natur fest auf einander ist, durch die Kälte nach der Begräbniß sich erhärtet, oder die Luft durch andere Mittel einzudringen verhindert wird; so erfolget entweders keine oder doch eine sehr langsame Fäulung.[k]
Ich habe vor einigen Monaten eine kleine englische Abhandlung gelesen, welche im Jahre 1751. zu Londen gedruckt ans Licht getretten, darinne fand ich einen merkwürdigen, und sehr wohl erwiesenen Zufall. Im Monat Februarius 1750. eröfnete man in der Grafschaft Devonshire in Engelland die Begräbniß einer alten Familie, und zwischen vielen Gebeinen, auch vermoderten Sargen fand man einen noch ganzen hölzernen Sarg. Man eröfnete denselben aus Vorwitz, und fand einen ganzen Körper eines Menschen darinne, dessen fleischliche Theile noch ihre natürliche Festigkeit hatten, die Gliedmassen aber, als Achsel, Ellenbogen, auch alle Finger sehr bügsam waren. Wenn man das Gesicht drückte, so wich es dem Finger, und hob sich nach der Drückung wieder. Eben dieses beobachtete man am ganzen Leibe. Der Bart war schwarz, und bis vier Zoll lang. Der Körper war einbalsamirt. Denn man wurde weder eines Einschnitts noch eines anderen Zeichen desselben gewahr. Durch das Pfarrprotocoll wurde erwiesen, daß seit dem Jahre 1669. kein Mensch in diese Begräbniß gebracht worden. Hier haben wir also einen englischen Vampyre, welcher über 80. Jahre in seinem Grabe ruhig geblieben ist, und keinen Menschen belästiget hat.
In eben dieser Abhandlung findet man noch mehr dergleichen Zufälle, insonderheit, wenn die Gräber sehr tief, und von trockener Erde sind. Demnach nimmt man gemeiniglich wahr, daß, wenn solche Körper der offenen Luft ausgesetzt werden, dieselben bald in eine Fäulung gerathen. Dieses ist genug darzuthun, daß die Fäulung nicht allzeit, und gemeiniglich nur langsam geschehe, absonderlich, wenn die Erde durch die Kälte wohl geschlossen, oder der Sarg selbst vor der Luft wohl bewahret ist.
Lasset uns nun die angeführten Begebenheiten untersuchen das vampyrische Wesen zu behaupten.
Rosina Polakin stirbt den 22. December 1754. Den 19. Jenner 1755. aber wird sie ausgegraben, und als eine des Verbrennen würdige Vampyrinn erkläret, weil sie noch nicht verfaulet gewesen. Die Anatomisten erhalten die Körper an öffentlicher Luft im Winter zu 6. Wochen, auch zu zwey Monathen ohne Fäulung. Zu dem so ist noch anzumerken, daß dieser Winter außerordentlich kalt gewesen. In den übrigen Körpern hatte die Fäulung den größten Theil schon verzehrt; es war aber genug, daß nicht alles verfault gewesen. Sie mußten ins Feuer. Welche Unwissenheit! erschreckliche Dummheit! man redet in der Schrift des Consistorii zu Olmütz von gewissen Zeichen, und Maalen, welche man in den Körpern der Vampyren soll gefunden haben. Allein sie werden nirgends beschrieben.[l] Zween Bader, welche niemal einen geöffneten Körper gesehen, und kein Wort vom Baue des menschlichen Leibes wüßten, wie sie selbsten dem Commissario bekannten, sind diejenigen Zeugen, auf derer Veranlassung das Urtheil zum verbrennen gefället wird.
Es ist wahr der Commissarius von Olmütz hat nicht jederzeit einen Bader zur Untersuchung dieser Sache, der genug geschickt wäre. Man brauchte nur zween geistliche Commissarien, welche über den Vampyrismus ganz rittermäßig ihren Ausspruch thaten, dann es erhellet aus den Anteactis, daß man im Jahre 1723. den Körper eines Menschen 13. Tage nach seinem Hinscheiden verbrennen lassen, und im Urtheile gab man dieses für die Ursache an, weil seine Großmutter bei der Gemeinde in keinem guten Ruf gewesen sey.
Im Jahre 1724. verbrennte man den Körper eines Menschen 18. Tage nach dessen Tode, weil er mit dem Vorigen befreundet gewesen. Es war genug, wann man nur von der Freundschaft eines angegebenen Vampyrs gewesen, so hatte der Proceß bald ein Ende.
Man verbrennte den Körper eines Menschen zween Tage nach seinem Absterben aus keiner anderen Ursache, ohne weiterer Zeugenschaft, als weil der Körper nach dem Tode noch wohl und gut ausgesehen, und die Gliedmassen noch bügsam gewesen.
Aus allen dem, was oben angeführet worden, läßt sich klar abnehmen, daß die Erhaltung eines Körpers ohne Fäulung aus ganz natürlichen Ursachen geschehen könne; daß die Fäulung gemeiniglich eine lange Zeit erfordere, welche sich nach der vorhergehenden Krankheit, nach der Wärme oder Kälte der Luft, nach der Beschaffenheit der Erde, und noch vielen anderen zufälligen Nebensachen veränderen. Daß das Consistorium von Olmütz den Körpern die erforderliche Zeit der Fäulung nicht gelassen, mithin dieses Zeichen einer Zauberey der Todten grundfalsch sey.
Aus diesem falschen Grund hat man die abgeschmacktesten Folgen gezogen. Denn man hat geschlossen, daß ein angegebener Vampyre seine Bosheit allen den Körpern einflösse, welche nach ihm in eben demselben Freudhof begraben würden. Denn natürlicher Weise mußten diese Körper weniger verfault seyn, als andere, die man vor dem Vampyre eingegraben hat.
Aus diesem schönen Grund hat das Consistorium zu Olmütz den 23ten April 1731. neun Körper verbrennen lassen, unter welchen sieben kleine Kinderkörper waren, weil man dafür hielt, daß sie ein Vampyre angesteckt hätte, welcher vor ihnen in demselbigen Freudhofe begraben worden.
Den todten Körpern aber, welche vor dem Vampyre ihr Grab allda gefunden, wiederfuhr Gnade, doch haben die Herrn Commissarien Wabst, und Gosser erwiesen, daß in den unverdächtigen Körpern noch unversehrte Theile vorhanden gewesen, und in einem derselben auch ein wenig Blut gefunden worden. Sie haben auch dargethan, daß die zween Ignoranten, obbemelte Bader mit Lügen gehandelt.
Nun ist es an dem, daß auch die Erscheinungen, welche von deren zum Theile oder ganz unverfaulten Körpern herkommen sollen, in einige Betrachtung gezogen werden.
Erstlich ist zu merken, daß kein Zeuge vorhanden, welcher aussage, daß die Todten den Lebendigen erscheinen, sondern man giebt nur vor, daß man eine Aengstigkeit und Beklemmung empfunden, welche zum Schlaffen gezwungen hat.
Ich lasse erachten, ob diese gute Leute, wenn die Einbildung durch die täglichen Erzählungen von Geistern und anderen Blendwerken &c. einmal eingenommen worden in ihren Betten vor dem Einschlaffen nicht haben in Furcht seyn sollen?
Aus der Untersuchung, welche die Commissarien angestellt haben, erhellet, daß sie die Aengstigkeiten nur damahl ausgestanden, wann sie gelegen waren, andere Zeugenschaften aber geben zu erkennen, daß sie sich erholt haben, wenn man sie im Bette aufsitzen lassen. Zudem so weis denn auch jedermann, was für abscheuliche Aengstigkeiten die Furcht verursachen kann.
Andere haben geglaubt, sie sehen oder hören einen Hund, ein Kalb, ein Schwein, ein Kalbskopf &c. Hatte denn der Teufel nöthig, einen menschlichen todten Körper lebendig zu machen, in einer solchen Hundes- oder Kalbesgestalt zu erscheinen? Es ist ja zwischen der Ursache, und der vorgegebenen Wirkung nicht die geringste Verbindung.
Ein Hund, eine Katz, über alles, wenn sie schwarz sind, und bei Nacht gesehen werden, sind jederzeit der Teufel, oder ein Gespenst, welches auf dem Freudhofe oder sonst herumschleicht. So gar eine Sau, welche vor einem Hause vorbeigrunzete, wurde (wie einige Zeugenschaften es angeben) für einen aufgestandenen Vampyre gehalten. Ich müßte mich schämen, wenn ich alle die Einfälligkeiten wiederhohlen würde, welche sich in diesen Zeugnissen befinden.
Jedoch es ist Zeit, auch von dem Ursprunge dieser Begebenheit ein Wort zu sagen. Eine gewiße Sallingerin, oder sonst die Wenzel Richterinn genannt, ist vor 18. Monathen begraben worden. Nun giebt man vor, sie sey ein Hexe gewesen, und alles Ubel komme von ihr her. Wo sind aber die Proben, daß sie eine Hexe gewesen? Dieses gute Weib theilte Arzneyen aus, und ihr Sohn hat ihr vorgegebene Arcana entdecket. Es waren Krebsaugen, die sie in Wasser zerlassen, einige Kräuter und Wurzen &c. ohne die geringste Spur eines Aberglaubens. Einsmals aber, um ihre Kuren zu beschönen, und das Geheimniß noch grösser zu machen; befahl sie einem Kranken, er sollte vier Thaler in eines seiner Hemder einnähen, und ihr zuschicken, so wollte sie ihm die Arzney zukommen lassen.
Nun giebt man vor, dieser Kranke sey verhexet, die Commissarien aber haben ihn examinirt und an ihm wahrgenommen, daß er an einer schweren, doch ganz natürlichen Krankheit, nämlich an der Colica Pictonum krank liege, welche den Kranken an allen Gliedern contract, und zusammen gezogen oder gerumfet macht. Wir sind wirklich beschäftiget im hiesigen Burgerspital einen solchen Kranken zu kuriren.
Ein andersmal soll sie den Tag vorgesagt haben, an dem ein Kranker sollte gesund werden. Diese sind die Beweise, daß sie eine Hexe gewesen. Es hat das Ansehen, daß man bey ihrer Lebenszeit diesen Beweis nicht für gültig oder hinlänglich gehalten, dann sie hat die heiligen Sacramenten empfangen; sie ist im Schooße der Kirche gestorben. Sie ist mit christlichen Ceremonien ins Grab eingeweihet worden: und 18. Monate nach ihrem Tode, muß sie eine verbrennenswürdige Hexe seyn.
Auf solchen Gründen ist die ganze Geschichte gebauet, und man hat Laster auf Laster gehäufet, so gar (darf ich es sagen) Sacrilegia begangen.
Man hat die Frey- und Sicherheit (Asylum) und die Ruhestätte des Grabes verletzt; man hat den guten Namen der Abgestorbenen, und ihrer Familien geschändet, welche ein gleiches Schicksal zu gewarten hätten; wenn solche Misbräuche nicht abgeschaft würden. Man hat die todten Leiber unschuldiger Kinder, derer Seelen die ewige Glückseligkeit genüssen, dem Henker übergeben. Man hat die Söhne gezwungen (entsetzliche Sache) die Leiber ihrer Mutter dem Henker vorzuschleppen. So gar die Kreuze selbst (ein Zeichen, eine Erinnerung unserer Erlösung, die bey der Kirche so verehrungswürdig ist) die Kreuze, sage ich, sind nicht besser verurtheilet worden. Man hat sie schändlich und nur deßwegen verbrennet, weil sie auf den Gräbern dieser unglückseligen Schlachtopfer der Ignoranz, und des Aberglaubens gestanden sind.
Welche schreyende Ungerechtigkeit in der Verurtheilung derjenigen Menschen, welche ein untadelhaftes Leben geführet, und nur das Unglück gehabt haben, daß man sie auf einem Freudhof erst eingegraben, nachdem schon vorher eine angegebene Hexe allda zu Grabe gebracht worden! man erkläret sie für Hexen und Zauberer. Man übergiebt sie dem Schinder, damit er ihre Leiber verbrenne. Man setzt so gar in das Urtheil, daß man sie weit schärfer wurde gezüchtiget haben, wenn sie noch lebendig wären. Man verbrenne aber ihre Leiber mit Spott und Schande, damit dieses ihren Mitgehilfen zum Beispiele diene.[m]
Wo sind die Gesetze, welche einen solchen Ausspruch rechtfertigen? Man bekennet, es seyen keine Gesetze vorhanden, hingegen zieht man zur Rechtfertigung ganz kaltsinnig an: es sey also der Gebrauch.[n]
Was für eine Menge von Unglücksfällen erfolgen darauf? Viel arme Kranke, und Weiber, die sich zum Gebähren schon bereit fanden, nehmen die Flucht, und finden ihren Tod auf der Strasse. Sie sind doch noch getröstet, daß sie zum wenigsten nach ihrem Tode dergleichen Schande nicht auszustehen hätten.
Die Einwohner, von einer beständigen Furcht durchdrungen, sind bereit, Hauß und Hof um ein anderes Ort zu verlassen. Mit einem Wort, alles ist in Verwirrung.
Daß das gemeine Volk, welches oft sehr wenig unterrichtet ist, in Ausschweifungen verfalle, das bewegt mich zum Mitleiden, und nimmt mich nicht wunder. Aber daß diejenigen, die man für die Meister in Israel hält, ein L......s C.........m dergleichen ungeheure Mißbräuche, die der Vernunft schnur gerade zuwider sind, billige und rechtfertige, das übersteiget meinen Begrif, und setzt mich in eine so starke Zornmüthigkeit, daß ich mich gezwungen sehe, die Feder niederzulegen, damit ich nicht aus den Schranken der Ehrerbietung, die ich ihrem Charakter zu bezeigen schuldig bin, hinausgerissen werde.[o]
Ich könnte dies ebenso berechtigt »Von Apollonius bis Buffy« benennen, so lange treibt uns dies Thema bereits um. Da ich jedoch aus Rationierungsgründen beschlossen habe, mich auf jene Zeit zu beschränken, die den modernen Vampir aus der Wiege gehoben hat, kann ich einen recht genauen Zeitpunkt bestimmen, der für zwei der Mythen unserer Gegenwart verantwortlich zeichnet: jene Begegnung englischer Dichter und Schriftsteller in der Schweiz.
In der Villa Diodati am Genfer See kommen im Juni 1816 zusammen: Lord Byron (1788-1824) mit seinem Leibarzt Dr. John William Polidori (1795-1821), Percy Bysshe Shelley (1792-1822) mit seiner Geliebten Mary Godwin, spätere Mary Wollstonecraft Shelley (1797-1851), sowie deren Stiefschwester Claire Clairmont (1798-1879), die Geliebte Byrons.
Es trat ein die angewandte Genese der Literatur aus der Literatur: gemeinsam las man eine Anthologie deutscher Gespenstergeschichten, und daraus entwickelten sich in den Häuptern der Teilnehmer »Frankenstein; or, The Modern Prometheus«, weiterführend die Mythen über den griechischen Gott sowie den Golem, גולם, vorwegnehmend die modernen Bemühungen um künstliche Intelligenz, und eine kurze Vampirgeschichte »The Vampyre«.
Ken Russel hat diese Zusammenkunft in »Gothic« etwas hektisch verfilmt, mit reichlich hysterisch im Haus herumstreunenden, drogenbetäubten Figuren, doch teils schönen Einstellungen, die mich an Jean Rollin erinnern, dessen Filme ich bei dieser Gelegenheit jedem ans vampirische Herz, meine die Augen, legen möchte.
Welche sind diese modernen Mythen? Der erste scheint mir eine Form des menschlichen Beieinanders in literarische Gestalt zu bringen, nämlich das meist einseitig verlaufende Ausnutzen des Anderen; der zweite, dem schöpferischen Menschen eigen, seine Schöpferkraft sie betätigend zu hinterfragen: Vampir und künstlicher Mensch.
Der erste lebt vom noch-lebendigen Wesen, der zweite bezeichnet den Versuch, Leben aus Unlebendigem zu erzeugen. Benötigte der Golem noch ein Gotteswort in seinem Lehmkörper, kommt das Geschöpf Frankensteins ohne diesen Beistand einer außenstehenden dritten Partei aus, benötigt nur elektrischen Strom samt der geeigneten Maschinerie. Die Phiolen Paracelsi sowie jene im »Faust« vereinen sich in unserem Blick mit denen in »Alien: Resurrection« wie jenen in den Laboren der Genforscher: Da wir die Folgen unseres Tuns nie abzusehen vermögen, ist uns schrecklich und verstörend stets nur das mißglückte Experiment, denn es erinnert uns an unsere Sterblichkeit, Begrenztheit und Fehlbarkeit, steht als Symbol all unserer Makel mißgestalt vor uns. Es bleibt einfacher, Leben zu nehmen als es zu erschaffen oder gar dem Erschaffenen jene Freiheit zu gewähren, zu sich selbst, zum eigenen Leben zu finden, was uns erschrecken würde.
Beiden, dem Monster wie dem Vampir, ist der Verstoß gegen den Ablauf der Natur wie die Regeln der Gesellschaft gemein: Totes durch menschliche Manipulation zum Anschein des Lebens gelangt — lebend, tot, dann untot, da im Nicht-Tod zu Scheinleben gelangt. Vampire wie Kunstwesen besitzen bloß scheinbares Leben, das einzig dadurch nicht als solches auffällig wird, da dieser Mangel auch den meisten Betrachtern eignet, die nur von ihren Leben gebissen wurden.
Und ist dies Bild einer sich von Menschen ernährenden Wesenheit nicht die stets gültige Allegorie von undurchschaubarer, möglicherweise geheimer Herrschaft, der Adel abgelöst von Kapitalisten, von Politikern, Bankstern — egal wer saugt, auf ihren Lebenswegen lassen die Untoten Tote und weitere Untote zurück — wer wollte dies bezweifeln, blicke man nur in die blicklosen Augen der Mitreisenden.
Und Cortexiphan gehört noch ins Reich der Fiktionen; egal ab welchem Zeitpunkt, Körper wie Verstand lassen auf unserem Lebensweg nach.
Nun scheint die Genese des Menschen aus der Maschine, aus der KI, eine Lösung, es würden fleischliche Leiblichkeit und Chips sich vereinen, doch unklar bleibt, wer den Nachteil dabei trüge, ob hochkomplexe Schaltkreise menschliches Genie hervorzubringen, nachzuempfinden in der Lage wären. Und solche Genialität wie Schöpferkraft sind das einzige, was uns von allen anderen Tieren unterscheidet, was uns hervorhebt, obgleich nur äußerst wenige von uns darüber verfügen. Solch geringe Zahl würde der Mehrheit die Akzeptanz derartiger Einschränkung erleichtern, doch verlöschte das wirkliche Menschsein mit ihr: Fortschritt geriete zum Rückschritt, die mit KI verbundene Menschlichkeit verlöre zutiefst Menschliches, würde nicht einmal mehr begreifen, was sie verloren hätte.
Ein großer Vorsatz scheint im Anfang toll;
Doch wollen wir des Zufalls künftig lachen,
Und so ein Hirn, das trefflich denken soll,
Wird künftig auch ein Denker machen.
— Goethe: Faust II, 6867-6870.
Doch läßt unser Dichter fort, was wir damit mit uns selbst anstellen, was die künstlichen Wesenheiten mit uns anstellen werden.
Vampir wie Homunculus und Technikmonster bedeuten die Verheißung fast ewiger Schönheit und stetigen Lebendigseins.
Aber nicht allein ein erotisches oder ein Machtverhältnis drückt sich in der Metapher des Vampirs aus, sondern gleichfalls ein Regelverstoß. Darum blieb sie den Romantikern bedeutungsvoll, darum bleibt sie stets modern, denn der Vampir, löst er sich von seiner Herkunft, ist nicht mehr adlig oder bürgerlich, sondern tritt aus der Gesellschaft, ist Mensch ohne Rang, der seine Gesellschaft wie seine Heimat ohne Einbuße zu verlassen vermag, nur noch sein eigenes Eigen, wird zum herumirrenden, andere anziehenden Mahnmal eines Anders-Seins, der Möglichkeit, jenseits des Überkommenen zu leben, stets auf Kosten anderer.
Aber dies zeichnet unser Dasein eh aus, egal ob Mohrrüben lautlos schreien, werden sie der Erde entrissen, ob Tiere leiden, werden sie zu Fleisch verstümmmelt; egal, was oder wer am Wegesrand zurückbleibt, die Fortdauer unseres Leben basiert auf dem Ableben anderen Lebens. Daß es im Vampirischen unsere Artgenossen trifft, ist bedauerlich, aber ehrlicher als alles andere.
Veganismus basiert auf zutiefst menschlich oberflächlichen Denkmustern: was sich bewegt ist höherwertig als jenes, das verwurzelt ist, sich nicht fortzubewegen, nur zu wachsen und zu gedeihen vermag. Hinzukommt, daß Tiere Töne von sich geben. Selbst die asiatischen Religionen sitzen solchen Bewertungsnarreteien auf, indem sie karmische Wertigkeiten erfinden und Auswirkungen auf menschliches Schicksal dazuerdichten.
Hätte uns ein Gott nach seinem Bildnis erschaffen, handelte es sich um einen erbärmlichen.
Und unsere moderne Gesellschaft hat ein Maximum an Wegdrücken des zum Lebendigsein Gehörigen entwickelt: Krankheit, Leiden und Tod finden anderswo statt, in Krankenhäusern, Filmübertragungen, Nachrichten, im Livestream, nur nicht in der Wohnung nebenan, geschweige denn im eigenem Leib; um Krankheiten scheren sich Versicherungen, Heilmittelwerbung und Ärzte, sie degenerieren zu einem Etwas, das es technisch, nicht menschlich in den Griff zu bekommen gilt, das unser gewöhnliches Dahinleben nicht mehr stören sollte als ein Kopfweh, das mit Tabletten kuriert wird.
Hingegen dienen Seuchen als Furchterzeuger, die Untertanen untertänig zu formen, zu halten. Nur wenn Krankheiten und Tod aus der Szenerie des Lebens getilgt sind, geraten sie zur gespenstischen Bedrohung, mit der ein normaler Einwohner sich weder auseinandersetzen möchte noch vermag, die von den Herrschern mit beliebigen Methoden statt beseitigt, am Scheinleben erhalten wird.
Werbung, die unser eigenes Denken aussaugt und durch fremdes ersetzt, verlockt mit ewiger Jugend durch Cremes, Pillen und Tröpfchen. Der Regelverstoß wendet sich in der Moderne gegen uns selbst, indem fremde Regeln unsere eigenen Bedürfnisse deformieren, sie sogar vor uns verbergen, als gehörten sie nicht zu uns: folglich werden wir uns immer fremder, immer unselbständiger.
Darum, deswegen holen uns die Gespenster wieder ein, zuerst als Parabel, dann immer näher kommend, bis sie bei uns sind, um uns in den Nachtträumen ebenso wie in den literarischen Träumen zu beißen.
Es könnte sich, legte der Leser seine Vorurteile ab, jedoch auch um eine Umgestaltung menschlicher Hoffnung handeln: die Überwindung des Todes, ein halbwegs ewiges, zwar nicht himmlisches, doch irdisches Dasein, zwar ohne Krankheit, doch noch mit Bedürfnissen versehen.
Literatur wie Kunst greifen dies auf, sie sind geradewegs verpflichtet, zur Gegenstimme des eingespielten Diskurses zu werden. Und merke: nur in Hollywoodfilmen und Werbung siegt am Ende meist das Gewöhnliche, konventionell das ›Gute‹ genannt, in der Realität mag das hoffentlich anders sein.
1745
Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Leipzig und Halle: Johann Heinrich Zedler, 1745. Band 46, Spalten 474-482: »Vampyren, oder Blutsauger«.
1746
Dom Augustin Calmet: Dissertations Sur Les Apparitions Des Anges, des Démons & des Esprits. Et Sur Les Revenans Et Vampires. De Hongrie, de Boheme, de Moravie, & de Silesie. Paris: De Bure l’aîné, 1746.
Caillet I,1964 – Rosenthal 8623.
1748
Heinrich August Ossenfelder: Der Vampir, Gedicht. In: Der Naturforscher. Achtundvierzigstes Stück. Leipzig, Sonnabend, den 25. des Mays, 1748. p. 380 sq.
1752
Dom Augustin Calmet: Gelehrte Verhandlung der Materi, Von Erscheinungen der Geistern, Und denen Vampiren in Ungarn, Mahren &c. Aus deren Anlaß auch darin von Zaubereyen und Hexereyen, von Besessenen und Bezauberten, von denen alten heydnischen Oraculis, oder Götzen-Bescheiden, vom Wahrsagen und Offenbaren verborgener oder künfftigen Dingen, von Wirckungen und Blendungen des Satans, von Erscheinungen so wohl Verstorbener, als auch noch Lebender, die andern weit entfernten Menschen geschehen seynd &c. gehandlet wird. Augsburg: Matthäus Rieger, 1752.
Rosenthal 1838.
1768
Gerard van Swieten: Vampyrismus von Herrn Baron Gerhard van Swieten verfasset, aus dem Französischen ins Deutsche übersetzet, und als ein Anhang der Abhandlung des Daseyns der Gespenster beigerücket. Augsburg, 1768.
1774
Gottfried August Bürger: Lenore, Ballade. In: Musen Almanach A MDCCLXXIV. Göttingen: Johann Christian Dieterich, 1774. pp. 214-226.
Goedeke IV,i,10,e – Tymn: Horror 1-52.
1784
Georg Tallar: Visum Repertum Anatomico-chirurgicum, oder, gründlicher Bericht von den sogenannten Blutsäugern, Vampier, oder in der wallachischen Sprache Moroi, in der Wallachey, Siebenbürgen, und Banat: Welchen eine Eigends dahin Abgeordnete Untersuchungskommission der Löbl. K. K. Administration im Jahre 1756 erstattet hat. Wien und Leipzig: bey Johann Georg Mößle, 1784.
1789
Gottfried August Bürger: Lenore, Ballade. In: Gedichte. Band II, Zweytes Buch. Göttingen: Johann Christian Dieterich, 1789. Überarbeitete Fassung.
Goedeke IV,i,54.
1797
Johann Wolfgang von Goethe: Die Braut von Corinth. Romanze. In: Musen-Almanach für das Jahr 1798. herausgegeben von Schiller. Tübingen: J.G. Cottaische Buchhandlung, 1797. pp. 88-89.
Hagen 610 – Tymn: Horror 1-131.
1801
Robert Southey: Thalaba the Destroyer. London: T. N. Longman & O. Rees, 1801. Das erste englische Gedicht, das »Vampire« erwähnt.
1801
[Theodor Ferdinand Kajetan Arnold:] Der Vampyr. Drei Bände. Schneeberg, 1801.
Hirschberg/Goedeke 28 – Kosch: Deutsches Literatur-Lexikon3 I,162 – Holzmann/Bohatta IV,8745 – Hayn/Gotendorf VIII,67.
1810
John Stagg: The Vampyre, Gedicht. In: The Minstrel of the North: or, Cumbrian Legends. Being a Poetical Miscellany of Legendary, Gothic, and Romantic, Tales. London: Printed by Hamblin and Seyfang, Queen-Street, Cheapside. For the Author, and Sold by J. Blacklock, Royal Exchange, 1810.
Small quarto. [1-8], [1], 2-376 pp.
«Contains ‘The Vampyre’ wherein a vampire is slain by a consecrated sword. Possibly the first vampire poem in English after Coleridge’s ‘Christabel.’ The poem is so gory that it might be a parody – certainly the prose preface is tongue-in-cheek” (Tymn).
Tymn: Horror 6-53.
1812
Giuseppe Palomba (Text) & Silvestro Palma (Musik): I Vampiri, opera buffa, 2 Akte. Premiere: Neapel, Teatro nuovo, 1812.
1812
Der Vampyr, oder die blutige Hochzeit mit der schönen Kroatin. Eine sonderbare Geschichte vom böhmischen Wiesenpater. Erfurt: Müller, 1812.
Bloch 135.
1813
George Gordon Byron, 6th Baron Byron, i.e. Lord Byron: The Giaour, A Fragment Of A Turkish Tale. Versepos. London: John Murray, 1813.
1816
Samuel Taylor Coleridge: Christabel, Gedicht. In: Christabel: Kubla Khan, A Vision; The Pains of Sleep. London: Printed For John Murray, Albemarle-Street, By William Bulmer And Co. Cleveland-Row, St. James’s, 1816.
Das erste englische Vampirgedicht, verfaßt zwischen 1797 und 1801. Beeinflußte Edgar Allan Poe, insbesondere dessen Gedicht »The Sleeper«, 1831.
1819
[John William Polidori:] The Vampyre. A Tale by Lord Byron, in: New Monthly Magazin. London: Colburn, 1. April 1819. & London: Printed for Sherwood, Neely, and Jones, 1819.
Octavo. [i-vii], viii-xvi, [xvii-xix], xx-xxv, [xxvi], [27], 28-84 pp.
Die erste englische Vampirgeschichte. Handlungsorte sind London, Griechenland, London. Es existieren fünf Druckvarianten der Buchausgabe. Angebunden teils ein sechzehnseitiger Verlagskatalog, datiert »November 2d, 1818«.
Wise: Byron II,71 – Tymn: Horror 1-304 – Barron: Horror 1-79 – Clute/Grant 773.
1819
Jean-Charles Emmanuel Nodier: Rezension von Polidoris The Vampyre, in Le Journal des Débats. Paris: Bertin l’Aîné, 1. Juli 1819.
1819
[H. Faber (Übersetzer) – John William Polidori:] Der Vampyr. Eine Erzählung aus dem Englischen des Lord Byron, nebst einer Schilderung seines Aufenthaltes auf der Insel Mitylene. Leipzig: Leopold Voß, 1819.
Bloch 2442 – Hirschberg/Goedeke 78.
1820
John Keats: Lamia, Gedicht, verfaßt 1819. In: Lamia, Isabella, The Eve of St. Agnes, and Other Poems. London: Taylor and Hessey, 1820.
Beeinflußte Edgar Allan Poe, insbesondere dessen Sonett To Science, Zeilen 229-238.
MacGillivray A3.
1820
[Cyprien Bérard:] Lord Ruthwen Ou Les Vampires. Roman De C. B. Publié Par L’Auteur De Jean Sbogar Et De Thérèse Aubert. Zwei Bände. Paris: Chez Ladvocat, 1820.
Auf pp. i-iv: »Observations Préliminaires« von Charles Nodier.
Fortsetzung von John Polidori: The Vampyre. Handlungsorte der durch einige Nebenerzählungen aufgelockerten Hauptgeschichte sind Venedig, Rom, Modena.
1820
Jean-Charles Emmanuel Nodier, Pierre-François-Adolphe Carmouche & Achille-François de Jouffroy; Alexandre Piccini (Musik), Ciceri (Bühne): Le Vampire. Premiere: Théatre de la Porte Saint-Martin. Paris, 13. Juni 1820.
Clute/Grant 690.
1820
[Marc-Antoine-Madeleine Désaugiers:] Cadet Buteux Vampire; ou Relation véridique du prologue et des trois actes de cet épouvantable mélodrama, écrite sous la dictée de ce passeux du Gros-Caillou par son sécretaire Désaugiers. Paris: Frédéric-Guillaume Rosa, 1820.
Eine Parodie über Nodiers Bühnenstück.
1820
Pierre de la Fosse (Pseudonym): Le Vampire; Mélodrama en 3 actes. Paroles de M. Pierre de la Fosse de la rue des Morts. 1820.
1820
James Robinson Planché (Übersetzer): The Vampire oder The Bridge of the Isles.
Übersetzung von Nodiers Stück, Premiere London, August 1820.
Clute/Grant 765.
1821
Anonym: Die Blutsauger. Roman. Quedlinburg und Leipzig: Gottfried Basse, 1821.
Gestraffte Übersetzung von Cyprien Bérard: Lord Ruthwen Ou Les Vampires.
Bloch 358 – Holzmann/Bohatta VII,1793 (falscher Verfasser: Nodier).
1821
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann: Die Serapions-Brüder. Gesammelte Erzählungen und Mährchen. Vierter Band. Berlin: Gedruckt und verlegt bei G. Reimer, 1821. Achter Abschnitt: Cyprians Erzählung.
Salomon 119.
1822
Jean-Charles Emmanuel Nodier: Le vampire Arnold-Paul, Vampires de Hongrie, Le vampire Harppe, Facéties sur les vampires. In: Infernalia. Paris: Chez Sanson, Nadau, 1822.
Caillet III,8026.
1822
Heinrich Ludwig Ritter (Übersetzer, Bearbeiter): Der Vampyr oder die Todten-Braut, ein romantisches Schauspiel in drei Acten, in Verbindung eines Vorspiels: der Traum in der Fingalshöhle, nach einer Erzählung des Lord Byron. Braunschweig: G.C.E. Meyer, 1822.
Basiert entgegen der Titelangabe auf Jean-Charles Emmanuel Nodier, Pierre-François-Adolphe Carmouche und Achille-François de Jouffroy, welches auf John Polidori: The Vampyre basiert.
Enslin/Engelmann I,451.
1825
Étienne-Léon de Lamothe-Langon: La vampire, ou la vierge de Hongrie. Drei Bände. Paris: Cardinal, 1825.
1826
Cassel (Text) & Martin-Joseph Mengal (Musik): Le Vampire ou L’Homme du néant. Opéra comique, 3 Akte. [Textbuch:] Brüssel: Gand Chez tous les Marchands de Musique ; Chez l’Auteur (gravé par Ris), s.a. Premiere: Ghent, 1826.
1826
Karl Spindler: Der Vampyr und seine Braut. Ein Nachtstück aus der neuesten Zeit. In: Zwillinge. Zwei Erzählungen, nebst einem Anhange von Originalbriefen. Hanau: Edler, 1826.
1827
Friederike Ellmenreich: Der Vampyr. In: Lustspiele frei nach dem Französischen bearbeitet. Mainz: Kupferberg, 1827.
Nach Scribe. Kosch: Deutsches Literatur-Lexikon3 IV,181.
1828
[Alex Cosmar:] Der Vampyr. Trauerspiel in fünf Abtheilungen; nach einer Spindlerschen Erzählung bearbeitet. Berlin, 1828.
Holzmann/Bohatta IV,8746 – Kosch: Deutsches Literatur-Lexikon3 II,786 – Enslin/Engelmann I,451 (ungenau).
1828
Cäsar Max Hegel (Text) & Peter Joseph von Lindpaintner (Musik): Der Vampyr. Romantische Oper in drei Akten, nach Lord Byron’s Dichtung. [Textbuch:] München: Franz Seraph Hübschmann, 1828. Premiere: Hoftheater in Stuttgart am 21. September 1828.
Basiert auf Heinrich Ludwig Ritter, welcher auf Jean-Charles Emmanuel Nodier, Pierre-François-Adolphe Carmouche und Achille-François de Jouffroy zurückgeht. Eine von Lindpaintner überarbeitete Version datiert 1850. Der Handlungsort ist Südfrankreich.
1828
Wilhelm August Wohlbrück (Text) & Heinrich Marschner (Musik): Der Vampyr, große romantische Oper in zwey Aufzügen. Premiere: Theater der Stadt Leipzig, 29. März 1828.
Basiert auf Heinrich Ludwig Ritter: Der Vampir oder die Totenbraut. Sonstige Quellen/Vorlagen wie Hegel/Lindpaintner. Der Handlungsort ist Schottland.
1828
Theodor Hildebrandt: Der Vampyr oder Die Todtenbraut, Ein Roman nach neugriechischen Volkssagen. Zwei Teile. Leipzig: Christian Ernst Kollmann, 1828.
Bloch 1489 – Kosch: Deutsches Literatur-Lexikon3 VII,1162.
1833
Henry Thomas Liddell: The Vampire Bride. In: The Wizard of the North: The Vampire Bride, and other Poems. Edinburgh: Blackwood & London: Cadell, 1833.
1835
Edgar Allan Poe: Berenice. A Tale. In: The Southern Literary Messenger. Richmond: T. W. White, March, 1835. pp. 333-336.
Heartman/Canny 52 & 251.
1836
Théophile Gautier: La Morte Amoureuse. In: La Chronique de Paris. Paris, 1836.
Die nachgewiesenen Verfasser von Anonyma sind in [Klammern] angeführt. Um die Angaben nicht unübersichtlich werden zu lassen, werden meist nur die wichtigsten bibliographischen Nachweise genannt. Für Korrekturen und Ergänzungen bin ich dankbar.
Dr. Van Helsing’s Memorandum.
5 November, afternoon. — I am at least sane. Thank God for that mercy at all events, though the proving it has been dreadful. When I left Madam Mina sleeping within the Holy circle, I took my way to the castle. The blacksmith hammer which I took in the carriage from Veresti was useful; though the doors were all open I broke them off the rusty hinges, lest some ill-intent or ill-chance should close them, so that being entered I might not get out. Jonathan’s bitter experience served me here. By memory of his diary I found my way to the old chapel, for I knew that here my work lay. The air was oppressive; it seemed as if there was some sulphurous fume, which at times made me dizzy. Either there was a roaring in my ears or I heard afar off the howl of wolves. Then I bethought me of my dear Madam Mina, and I was in terrible plight. The dilemma had me between his horns.
Her, I had not dare to take into this place, but left safe from the Vampire in that Holy circle; and yet even there would be the wolf! I resolve me that my work lay here, and that as to the wolves we must submit, if it were God’s will. At any rate it was only death and freedom beyond. So did I choose for her. Had it but been for myself the choice had been easy, the maw of the wolf were better to rest in than the grave of the Vampire! So I make my choice to go on with my work.
I knew that there were at least three graves to find — graves that are inhabit; so I search, and search, and I find one of them. She lay in her Vampire sleep, so full of life and voluptuous beauty that I shudder as though I have come to do murder. Ah, I doubt not that in old time, when such things were, many a man who set forth to do such a task as mine, found at the last his heart fail him, and then his nerve. So he delay, and delay, and delay, till the mere beauty and the fascination of the wanton Un-Dead have hypnotise him; and he remain on and on, till sunset come, and the Vampire sleep be over. Then the beautiful eyes of the fair woman open and look love, and the voluptuous mouth present to a kiss — and man is weak. And there remain one more victim in the Vampire fold; one more to swell the grim and grisly ranks of the Un-Dead! ...
There is some fascination, surely, when I am moved by the mere presence of such an one, even lying as she lay in a tomb fretted with age and heavy with the dust of centuries, though there be that horrid odour such as the lairs of the Count have had. Yes, I was moved — I, Van Helsing, with all my purpose and with my motive for hate — I was moved to a yearning for delay which seemed to paralyse my faculties and to clog my very soul. It may have been that the need of natural sleep, and the strange oppression of the air were beginning to overcome me. Certain it was that I was lapsing into sleep, the open-eyed sleep of one who yields to a sweet fascination, when there came through the snow-stilled air a long, low wail, so full of woe and pity that it woke me like the sound of a clarion. For it was the voice of my dear Madam Mina that I heard.
Then I braced myself again to my horrid task, and found by wrenching away tomb-tops one other of the sisters, the other dark one. I dared not pause to look on her as I had on her sister, lest once more I should begin to be enthrall; but I go on searching until, presently, I find in a high great tomb as if made to one much beloved that other fair sister which, like Jonathan I had seen to gather herself out of the atoms of the mist. She was so fair to look on, so radiantly beautiful, so exquisitely voluptuous, that the very instinct of man in me, which calls some of my sex to love and to protect one of hers, made my head whirl with new emotion. But God be thanked, that soul-wail of my dear Madam Mina had not died out of my ears; and, before the spell could be wrought further upon me, I had nerved myself to my wild work. By this time I had searched all the tombs in the chapel, so far as I could tell; and as there had been only three of these Un-Dead phantoms around us in the night, I took it that there were no more of active Un-Dead existent. There was one great tomb more lordly than all the rest; huge it was, and nobly proportioned. On it was but one word
DRACULA.
This then was the Un-Dead home of the King-Vampire, to whom so many more were due. Its emptiness spoke eloquent to make certain what I knew. Before I began to restore these women to their dead selves through my awful work, I laid in Dracula’s tomb some of the Wafer, and so banished him from it, Un-Dead, for ever.
Then began my terrible task, and I dreaded it. Had it been but one, it had been easy, comparative. But three! To begin twice more after I had been through a deed of horror; for if it was terrible with the sweet Miss Lucy, what would it not be with these strange ones who had survived through centuries, and who had been strengthened by the passing of the years; who would, if they could, have fought for their foul lives....
Oh, my friend John, but it was butcher work; had I not been nerved by thoughts of other dead, and of the living over whom hung such a pall of fear, I could not have gone on. I tremble and tremble even yet, though till all was over, God be thanked, my nerve did stand. Had I not seen the repose in the first place, and the gladness that stole over it just ere the final dissolution came, as realisation that the soul had been won, I could not have gone further with my butchery. I could not have endured the horrid screeching as the stake drove home; the plunging of writhing form, and lips of bloody foam. I should have fled in terror and left my work undone. But it is over! And the poor souls, I can pity them now and weep, as I think of them placid each in her full sleep of death for a short moment ere fading. For, friend John, hardly had my knife severed the head of each, before the whole body began to melt away and crumble in to its native dust, as though the death that should have come centuries agone had at last assert himself and say at once and loud “I am here!”
Before I left the castle I so fixed its entrances that never more can the Count enter there Un-Dead.
When I stepped into the circle where Madam Mina slept, she woke from her sleep, and, seeing, me, cried out in pain that I had endured too much.
“Come!” she said, “come away from this awful place! Let us go to meet my husband who is, I know, coming towards us.” She was looking thin and pale and weak; but her eyes were pure and glowed with fervour. I was glad to see her paleness and her illness, for my mind was full of the fresh horror of that ruddy vampire sleep.
And so with trust and hope, and yet full of fear, we go eastward to meet our friends — and him — whom Madam Mina tell me that she know are coming to meet us.
Der gemeine Vampir, wie er uns exemplarisch in Filmen begegnet, ist ein Blutsauger, ein materialistisches Wesen, das seinem Körper zwecks Überleben Flüssigkeit zuführt. Er steht jeglichem Glauben, womit meist der christliche gemeint ist, ablehnend gegenüber, vielleicht sogar der Transzendenz, da er so lange leben wird, wie er Speise findet und niemand ihm einen Pfahl durchs Herz schlägt, sein weiteres ist ungewiß, denn als ›seelenlos‹ apostrophiert, ermangelt es ihm jenes spezifischen Teils, das zur Höllen- oder Himmelfahrt geeignet wäre. Sein Gebiß ist seiner Ernährungsmethode entsprechend ausgestattet und mit längeren Eckzähnen versehen, oder spannungsteigernd fahren diese bei Durst langsam aus. Sein grausliches Äußeres dient nur der voreingenommenen Phantasie der Leser und Zuschauer: das Böse muß grauslich sein, um das Grausen zu erzeugen. Erst die wohlgestalte, sogar schöne Vampirin wie Gautiers Clarimonde steht für wirkliche Abgründe: die ihr eigenen wie jene ihres Grabschänders Sérapion.
Der höhere Vampir, sozusagen seine kulturelle Fortentwicklung, ernährt sich wie jedermann, sein Begehr ist die Schöpferkraft anderer: Also schart er vornehmlich Künstler sowie Dichter um sich, damit sie seiner eigenen Tätigkeit weiterhelfen, sie vielleicht erst ermöglichen.
»Er macht wie unter dem Eindrucke eines höheren Willen hypnotisierende Bewegungen, gewinnt dann die Macht über sich selbst und tritt zurück«, so beschreibt es Viereck in seinem Theaterstück »Der Vampyr«. Also widerstrebt es dem Vampir, sein Verlangen direkt zu erfüllen, er ist in sich gebrochen, es beherrscht ihn der Trieb, hier ›höherer Wille‹ benannt, eigentlich sein Wesen, sich zu nehmen, was ihm ermangelt, wonach ihm gelüstet, doch wird er behindert durch ein gesellschaftlich angemessenes Verhalten, das ihn sein Laster verbergen heißt, denn nur im Verborgenen kann er seiner Bestimmung, sich zu nähren, nachgehen, würde sie offenbar, fände er sich ohne Begleiter, damit ohne Opfer, ohne Ernährung, zurückgelassen.
In seinem Umgang verlieren künstlerisch veranlagte Menschen ihre Genialität, meist werden sie gewöhnlich; was zuvor farbig war, wird matt, Verse verlieren ihre Lebendigkeit, Romane entstehen im Kopf und verbleiben ungeschrieben — nur um verwandelt im Schaffen des Vampirs aufzutauchen. Es ist nicht dasselbe, das seinem Pinsel oder seiner Feder entrinnt, doch ein Gleichwertiges, gesteigert durch seine eigenen Fähigkeiten, von denen unklar verbleibt, ob sie wirklich ihm gehören, oder ob selbst sie sich aus Fremdem langsam angesammelt haben.
Der Künstlervampir setzt sich vom Kopisten ab: Letzterer rafft und klebt aneinander, der Vampir verdaut sozusagen; die geistigen Fähigkeiten und Träume der anderen ziehen durch sein Wesen und verwandeln sich in ihm in sein Eigen. Trotzdem ist er sich der Abhängigkeit gleichwie der Genese seiner Produkte bewußt. Dies heißt ihn, ausgesaugte Geister von sich zu stoßen, neue heranzuziehen, denn nur der stete Nachschub gewährt, das erlangte Niveau beizubehalten.
»›Nein, es ist kein Ausweg vorhanden‹, hörte er Clarke sagen und seine Stimme hatte einen harten, metallischen Klang. Eine Knabenstimme erwiderte etwas; sie hörte sich klagend an« (Viereck: »Das Haus des Vampyrs«, p. 28). Dies bezeichnet die masochistische Seite im Verhältnis des Opfers zu seinem Vampir: Es sieht den Verlust seiner Fähigkeit, doch hängt es dem Meister und seinem Genie an, vergöttert ihn beinah und fühlt sich unfähig, sich von ihm zu lösen.
Beide, Vampir und Ausgesaugter, sind in sich gebrochen, der eine in seiner Stärke, der andere in seiner Schwäche. Das klingt modern, ist zweifellos auch zeitgemäßer als der zähnebleckende Filmvampir. Anders als durch Blut, das schließlich beinah jeder irgendwie in seinem Körper fließen hat, zeichnen sich die Seelensauger und ihre Opfer durch ihr Talent, ihr Genie aus, das macht sie zu Einzelgängern und ihren Kreis zu einem exklusiven: Ein jeglicher vermag, unfreiwillig Blut zu geben, Talent nur äußerst wenige.
Zeitgenössische Vampire betätigen sich eher als Daten- und Informationssauger. Demnach wird wohl die künstliche Inteligenz, um sich leistungsfähiger zu gestalten, die menschliche ergründen, aussaugen und scheinlebendig als halbtote Hülle hinter sich zurücklassen.
John William Polidori: The Vampyre — Der Vampyr
Théophile Gautier: La Morte Amoureuse
Joseph Thomas Sheridan Le Fanu: Carmilla
George Sylvester Viereck: The House of the Vampire
That the exercise of our benevolent feelings, as called forth by the view of human afflictions, should be a source of pleasure, cannot appear wonderful to one who considers that relation between the moral and natural system of man, which has connected a degree of satisfaction with every action or emotion productive of the general welfare. The painful sensation immediately arising from a scene of misery, is so much softened and alleviated by the reflex sense of selfapprobation attending virtuous sympathy, that we find, on the whole, a very exquisite and refined pleasure remaining, which makes us desirous of again being witnesses to such scenes, instead of flying from them with disgust and horror. It is obvious how greatly such a provision must conduce to the ends of mutual support and assistance. But the apparent delight with which we dwell upon objects of pure terror, where our moral feelings are not in the least concerned, and no passion seems to be excited but the depressing one of fear, is a paradox of the heart, much more difficult of solution.
The reality of this source of pleasure seems evident from daily observation. The greediness with which the tales of ghosts and goblins, of murders, earthquakes, fires, shipwrecks, and all the most terrible disasters attending human life, are devoured by every ear, must have been generally remarked. Tragedy, the most favourite work of fiction, has taken a full share of those scenes; «it has supt full with horrors” — and has, perhaps, been more indebted to them for public admiration than to its tender and pathetic parts. The ghost of Hamlet, Macbeth descending into the witches’ cave, and the tent scene in Richard, command as sorcibly the attention of our souls as the parting Jaffeir and Belvidera, the fall of Wolsey, or the death of Shore. The inspiration of terror was by the antient critics assigned as the peculiar province of tragedy; and the Greek and Roman tragedians have introduced some extraordinary personages for this purpose: not only the shades of the dead, but the suries, and other fabulous inhabitants of the infernal regions. Collins, in his most poetical ode to Fear, has finely enforced this idea.
Tho’ gentle Pity claim her mingled part,
Yet all the thunders of the scene are thine.
The old Gothic romance and the Eastern tale, with their genii, giants, enchantments, and transformations, however a refined critic may censure them as absurd and extravagant, will ever retain a most powerful influence on the mind, and interest the reader independently of all peculiarity of taste. Thus the great Milton, who had a strong biass to these wildnesses of the imagination, has with striking effect made the stories «of forests and enchantments drear,” a favourite subject with his Penseroso; and had undoubtedly their awakening images strong upon his mind when he breaks out,
Call up him that left half-told
The story of Cambuscan bold; &c.
How are we then to account for the pleasure derived from such objects? I have often been led to imagine that there is a deception in these cases; and that the avidity with which we attend is not a proof of our receiving real pleasure. The pain of suspence, and the irresistible desire of satisfying curiosity, when once raised, will account for our eagerness to go quite through an adventure, though we suffer actual pain during the whole course of it. We rather chuse to suffer the smart pang of a violent emotion than the uneasy craving of an unsatisfied desire. That this principle, in many instances, may involuntarily carry us through what we dislike, I am convinced from experience. This is the impulse which renders the poorest and most insipid narrative interesting when once we get fairly into it; and I have frequently felt it with regard to our modern novels, which, if lying on my table, and taken up in an idle hour, have led me through the most tedious and disgusting pages, while, like Pistol eating his leek, I have swallowed and execrated to the end. And it will not only force us through dullness, but through actual torture—through the relation of a Damien’s execution, or an inquisitor’s act of faith. When children, therefore, listen with pale and mute attention to the frightful stories of apparitions, we are not, perhaps, to imagine that they are in a state of enjoyment, any more than the poor bird which is dropping into the mouth of the rattlesnake—they are chained by the ears, and fascinated by curiosity. This solution, however, does not satisfy me with respect to the well-wrought scenes of artificial terror which are formed by a sublime and vigorous imagination. Here, though we know before-hand what to expect, we enter into them with eagerness, in quest of a pleasure already experienced. This is the pleasure constantly attached to the excitement of surprise from new and wonderful objects. A strange and unexpected event awakens the mind, and keeps it on the stretch; and where the agency of invisible being is introduced, of «forms unseen, and mightier far than we,” our imagination, darting forth, explores with rapture the new world which is laid open to its view, and rejoices in the expansion of its powers. Passion and fancy co-operating elevate the soul to its highest pitch; and the pain of terror is lost in amazement.
Hence, the more wild, fanciful, and extraordinary are the circumstances of a scene of horror, the more pleasure we receive from it; and where they are too near common nature, though violently borne by curiosity through the adventure, we cannot repeat it or reflect on it, without an over-balance of pain. In the Arabian nights are many most striking examples of the terrible joined with the marvellous: the story of Aladdin and the travels of Sinbad are particularly excellent. The Castle of Otranto is a very spirited modern attempt upon the same plan of mixed terror, adapted to the model of Gothic romance. The best conceived, and most strongly worked-up scene of mere natural horror that I recollect, is in Smollet’s Ferdinand count Fathom; where the hero, entertained in a lone house in a forest, finds a corpse just slaughtered in the room where he is sent to sleep, and the door of which is locked upon him. It may be amusing for the reader to compare his feelings upon these, and from thence form his opinion of the justness of my theory. (...)
Misery is manifold. The wretchedness of earth is multiform. Overreaching the wide horizon like the rainbow, its hues are as various as the hues of that arch, as distinct too, yet as intimately blended. Overreaching the wide horizon like the rainbow! How is it that from Beauty I have derived a type of unloveliness? — from the covenant of Peace a simile of sorrow? But thus is it. And as, in ethics, Evil is a consequence of Good, so, in fact, out of Joy is sorrow born. Either the memory of past bliss is the anguish of to-day, or the agonies which are, have their origin in the ecstasies which might have been. I have a tale to tell in its own essence rife with horror — I would suppress it were it not a record more of feelings than of facts.
My baptismal name is Egæus — that of my family I will not mention. Yet there are no towers in the land more time-honored than my gloomy, grey, hereditary halls. Our line has been called a race of visionaries: and in many striking particulars — in the character of the family mansion — in the frescos of the chief saloon — in the tapestries of the dormitories — in the chiseling of some buttresses in the armory — but more especially in the gallery of antique paintings — in the fashion of the library chamber — and, lastly, in the very peculiar nature of the library’s contents, there is more than sufficient evidence to warrant the belief.
The recollections of my earliest years are connected with that chamber, and with its volumes — of which latter I will say no more. Here died my mother. Herein was I born. But it is mere idleness to say that I had not lived before — that the soul has no previous existence. You deny it. Let us not argue the matter. Convinced myself I seek not to convince. There is, however, a remembrance of ærial forms — of spiritual and meaning eyes — of sounds musical yet sad — a remembrance which will not be excluded: a memory like a shadow, vague, variable, indefinite, unsteady — and like a shadow too, in the impossibility of my getting rid of it, while the sunlight of my reason shall exist.
In that chamber was I born. Thus awaking, as it were, from the long night of what seemed, but was not, nonentity at once into the very regions of fairy land — into a palace of imagination — into the wild dominions of monastic thought and erudition — it is not singular that I gazed around me with a startled and ardent eye — that I loitered away my boyhood in books, and dissipated my youth in reverie — but it is singular that as years rolled away, and the noon of manhood found me still in the mansion of my fathers — it is wonderful what stagnation there fell upon the springs of my life — wonderful how total an inversion took place in the character of my common thoughts. The realities of the world affected me as visions, and as visions only, while the wild ideas of the land of dreams became, in turn, — not the material of my every-day existence — but in very deed that existence utterly and solely in itself.
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Berenice and I were cousins, and we grew up together in my paternal halls — Yet differently we grew. I ill of health and buried in gloom — she agile, graceful, and overflowing with energy. Hers the ramble on the hill-side — mine the studies of the cloister. I living within my own heart, and addicted body and soul to the most intense and painful meditation — she roaming carelessly through life with no thought of the shadows in her path, or the silent flight of the raven-winged hours. Berenice! — I call upon her name — Berenice! — and from the grey ruins of memory a thousand tumultuous recollections are startled at the sound! Ah! vividly is her image before me now, as in the early days of her light-heartedness and joy! Oh! gorgeous yet fantastic beauty! Oh! Sylph amid the shrubberies of Arnheim! — Oh! Naiad among her fountains! — and then — then all is mystery and terror, and a tale which should not be told. Disease — a fatal disease — fell like the Simoom upon her frame, and, even while I gazed upon her, the spirit of change swept over her, pervading her mind, her habits, and her character, and, in a manner the most subtle and terrible, disturbing even the very identity of her person! Alas! the destroyer came and went, and the victim — where was she? I knew her not — or knew her no longer as Berenice.
Among the numerous train of maladies, superinduced by that fatal and primary one which effected a revolution of so horrible a kind in the moral and physical being of my cousin, may be mentioned as the most distressing and obstinate in its nature, a species of epilepsy not unfrequently terminating in trance itself — trance very nearly resembling positive dissolution, and from which her manner of recovery was, in most instances, startlingly abrupt. In the meantime my own disease — for I have been told that I should call it by no other appellation — my own disease, then, grew rapidly upon me, and, aggravated in its symptoms by the immoderate use of opium, assumed finally a monomaniac character of a novel and extraordinary form — hourly and momentarily gaining vigor — and at length obtaining over me the most singular and incomprehensible ascendancy. This monomania — if I must so term it — consisted in a morbid irritability of the nerves immediately affecting those properties of the mind, in metaphysical science termed the attentive. It is more than probable that I am not understood — but I fear that it is indeed in no manner possible to convey to the mind of the merely general reader, an adequate idea of that nervous intensity of interest with which, in my case, the powers of meditation (not to speak technically) busied, and, as it were, buried themselves in the contemplation of even the most common objects of the universe.
To muse for long unwearied hours with my attention rivetted to some frivolous device upon the margin, or in the typography of a book — to become absorbed for the better part of a summer’s day in a quaint shadow falling aslant upon the tapestry, or upon the floor — to lose myself for an entire night in watching the steady flame of a lamp, or the embers of a fire — to dream away whole days over the perfume of a flower — to repeat monotonously some common word, until the sound, by dint of frequent repetition, ceased to convey any idea whatever to the mind — to lose all sense of motion or physical existence in a state of absolute bodily quiescence long and obstinately persevered in — Such were a few of the most common and least pernicious vagaries induced by a condition of the mental faculties, not, indeed, altogether unparalleled, but certainly bidding defiance to any thing like analysis or explanation.
Yet let me not be misapprehended. The undue, intense, and morbid attention thus excited by objects in their own nature frivolous, must not be confounded in character with that ruminating propensity common to all mankind, and more especially indulged in by persons of ardent imagination. By no means. It was not even, as might be at first supposed, an extreme condition, or exaggeration of such propensity, but primarily and essentially distinct and different. In the one instance the dreamer, or enthusiast, being interested by an object usually not frivolous, imperceptibly loses sight of this object in a wilderness of deductions and suggestions issuing therefrom, until, at the conclusion of a day-dream often replete with luxury, he finds the incitamentum or first cause of his musings utterly vanished and forgotten. In my case the primary object was invariably frivolous, although assuming, through the medium of my distempered vision, a refracted and unreal importance. Few deductions — if any — were made; and those few pertinaciously returning in, so to speak, upon the original object as a centre. The meditations were never pleasurable; and, at the termination of the reverie, the first cause, so far from being out of sight, had attained that supernaturally exaggerated interest which was the prevailing feature of the disease. In a word, the powers of mind more particularly exercised were, with me, as I have said before, the attentive, and are, with the day-dreamer, the speculative.
My books, at this epoch, if they did not actually serve to irritate the disorder, partook, it will be perceived, largely, in their imaginative, and inconsequential nature, of the characteristic qualities of the disorder itself. I well remember, among others, the treatise of the noble Italian Cælius Secundus Curio «de amplitudine beati regni Dei” — St. Austin’s great work the «City of God” — and Tertullian’s «de Carne Christi,” in which the unintelligible sentence «Mortuus est Dei filius; credibile est quia ineptum est: et sepultus resurrexit; certum est quia impossibile est” occupied my undivided time, for many weeks of laborious and fruitless investigation.
Thus it will appear that, shaken from its balance only by trivial things, my reason bore resemblance to that ocean-crag spoken of by Ptolemy Hephestion, which steadily resisting the attacks of human violence, and the fiercer fury of the waters and the winds, trembled only to the touch of the flower called Asphodel. And although, to a careless thinker, it might appear a matter beyond doubt, that the fearful alteration produced by her unhappy malady, in the moral condition of Berenice, would afford me many objects for the exercise of that intense and morbid meditation whose nature I have been at some trouble in explaining, yet such was not by any means the case. In the lucid intervals of my infirmity, her calamity indeed gave me pain, and, taking deeply to heart that total wreck of her fair and gentle life, I did not fail to ponder frequently and bitterly upon the wonder-working means by which so strange a revolution had been so suddenly brought to pass. But these reflections partook not of the idiosyncrasy of my disease, and were such as would have occurred, under similar circumstances, to the ordinary mass of mankind. True to its own character, my disorder revelled in the less important but more startling changes wrought in the physical frame of Berenice, and in the singular and most appalling distortion of her personal identity.
During the brightest days of her unparalleled beauty, most surely I had never loved her. In the strange anomaly of my existence, feelings, with me, had never been of the heart, and my passions always were of the mind. Through the grey of the early morning — among the trellissed shadows of the forest at noon-day — and in the silence of my library at night, she had flitted by my eyes, and I had seen her — not as the living and breathing Berenice, but as the Berenice of a dream — not as a being of the earth — earthly — but as the abstraction of such a being — not as a thing to admire, but to analyze — not as an object of love, but as the theme of the most abstruse although desultory speculation. And now — now I shuddered in her presence, and grew pale at her approach; yet, bitterly lamenting her fallen and desolate condition, I knew that she had loved me long, and, in an evil moment, I spoke to her of marriage.
And at length the period of our nuptials was approaching, when, upon an afternoon in the winter of the year, one of those unseasonably warm, calm, and misty days which are the nurse of the beautiful Halcyon,[1] I sat, and sat, as I thought alone, in the inner apartment of the library. But uplifting my eyes Berenice stood before me.
Was it my own excited imagination — or the misty influence of the atmosphere — or the uncertain twilight of the chamber — or the grey draperies which fell around her figure — that caused it to loom up in so unnatural a degree? I could not tell. Perhaps she had grown taller since her malady. She spoke, however, no word, and I — not for worlds could I have uttered a syllable. An icy chill ran through my frame; a sense of insufferable anxiety oppressed me; a consuming curiosity pervaded my soul; and, sinking back upon the chair, I remained for some time breathless, and motionless, and with my eyes rivetted upon her person. Alas! its emaciation was excessive, and not one vestige of the former being lurked in any single line of the contour. My burning glances at length fell upon her face.
The forehead was high, and very pale, and singularly placid; and the once golden hair fell partially over it, and overshadowed the hollow temples with ringlets now black as the raven’s wing, and jarring discordantly, in their fantastic character, with the reigning melancholy of the countenance. The eyes were lifeless, and lustreless, and I shrunk involuntarily from their glassy stare to the contemplation of the thin and shrunken lips. They parted: and, in a smile of peculiar meaning, the teeth of the changed Berenice disclosed themselves slowly to my view. Would to God that I had never beheld them, or that, having done so, I had died!
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The shutting of a door disturbed me, and, looking up, I found my cousin had departed from the chamber. But from the disordered chamber of my brain, had not, alas! departed, and would not be driven away, the white and ghastly spectrum of the teeth. Not a speck upon their surface — not a shade on their enamel — not a line in their configuration — not an indenture in their edges — but what that period of her smile had sufficed to brand in upon my memory. I saw them now even more unequivocally than I beheld them then. The teeth! — the teeth! — they were here, and there, and every where, and visibly, and palpably before me, long, narrow, and excessively white, with the pale lips writhing about them, as in the very moment of their first terrible development. Then came the full fury of my monomania, and I struggled in vain against its strange and irresistible influence. In the multiplied objects of the external world I had no thoughts but for the teeth. All other matters and all different interests became absorbed in their single contemplation. They — they alone were present to the mental eye, and they, in their sole individuality, became the essence of my mental life. I held them in every light — I turned them in every attitude. I surveyed their characteristics — I dwelt upon their peculiarities — I pondered upon their conformation — I mused upon the alteration in their nature — and shuddered as I assigned to them in imagination a sensitive and sentient power, and even when unassisted by the lips, a capability of moral expression. Of Mad’selle Sallé it has been said, «que tous ses pas etoient des sentiments,” and of Berenice I more seriously believed que touts ses dents etaient des ideés.
And the evening closed in upon me thus — and then the darkness came, and tarried, and went — and the day again dawned — and the mists of a second night were now gathering around — and still I sat motionless in that solitary room, and still I sat buried in meditation, and still the phantasma of the teeth maintained its terrible ascendancy as, with the most vivid and hideous distinctness, it floated about amid the changing lights and shadows of the chamber. At length there broke forcibly in upon my dreams a wild cry as of horror and dismay; and thereunto, after a pause, succeeded the sound of troubled voices intermingled with many low moanings of sorrow, or of pain. I arose hurriedly from my seat, and, throwing open one of the doors of the library, there stood out in the antechamber a servant maiden, all in tears, and she told me that Berenice was — no more. Seized with an epileptic fit she had fallen dead in the early morning, and now, at the closing in of the night, the grave was ready for its tenant, and all the preparations for the burial were completed.
With a heart full of grief, yet reluctantly, and oppressed with awe, I made my way to the bed-chamber of the departed. The room was large, and very dark, and at every step within its gloomy precincts I encountered the paraphernalia of the grave. The coffin, so a menial told me, lay surrounded by the curtains of yonder bed, and in that coffin, he whisperingly assured me, was all that remained of Berenice. Who was it asked me would I not look upon the corpse? I had seen the lips of no one move, yet the question had been demanded, and the echo of the syllables still lingered in the room. It was impossible to refuse; and with a sense of suffocation I dragged myself to the side of the bed. Gently I uplifted the sable draperies of the curtains.
As I let them fall they descended upon my shoulders, and shutting me thus out from the living, enclosed me in the strictest communion with the deceased.
The very atmosphere was redolent of death. The peculiar smell of the coffin sickened me; and I fancied a deleterious odor was already exhaling from the body. I would have given worlds to escape — to fly from the pernicious influence of mortality — to breathe once again the pure air of the eternal heavens. But I had no longer the power to move — my knees tottered beneath me — and I remained rooted to the spot, and gazing upon the frightful length of the rigid body as it lay outstretched in the dark coffin without a lid.
God of heaven! — is it possible? Is it my brain that reels — or was it indeed the finger of the enshrouded dead that stirred in the white cerement that bound it? Frozen with unutterable awe I slowly raised my eyes to the countenance of the corpse. There had been a band around the jaws, but, I know not how, it was broken asunder. The livid lips were wreathed into a species of smile, and, through the enveloping gloom, once again there glared upon me in too palpable reality, the white and glistening, and ghastly teeth of Berenice. I sprang convulsively from the bed, and, uttering no word, rushed forth a maniac from that apartment of triple horror, and mystery, and death.
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I found myself again sitting in the library, and again sitting there alone. It seemed that I had newly awakened from a confused and exciting dream. I knew that it was now midnight, and I was well aware that since the setting of the sun Berenice had been interred. But of that dreary period which had intervened I had no positive, at least no definite comprehension. Yet its memory was rife with horror — horror more horrible from being vague, and terror more terrible from ambiguity. It was a fearful page in the record of my existence, written all over with dim, and hideous, and unintelligible recollections. I strived to decypher them, but in vain — while ever and anon, like the spirit of a departed sound, the shrill and piercing shriek of a female voice seemed to be ringing in my ears. I had done a deed — what was it? And the echoes of the chamber answered me — «what was it?”
On the table beside me burned a lamp, and near it lay a little box of ebony. It was a box of no remarkable character, and I had seen it frequently before, it being the property of the family physician; but how came it there upon my table, and why did I shudder in regarding it? These things were in no manner to be accounted for, and my eyes at length dropped to the open pages of a book, and to a sentence underscored therein. The words were the singular but simple words of the poet Ebn Zaiat. «Dicebant mihi sodales si sepulchrum amicæ visitarem curas meas aliquantulum fore levatas.”[2] Why then, as I perused them, did the hairs of my head erect themselves on end, and the blood of my body congeal within my veins?
There came a light tap at the library door, and, pale as the tenant of a tomb, a menial entered upon tiptoe. His looks were wild with terror, and he spoke to me in a voice tremulous, husky, and very low. What said he? — some broken sentences I heard. He told of a wild cry heard in the silence of the night — of the gathering together of the household — of a search in the direction of the sound — and then his tones grew thrillingly distinct as he whispered me of a violated grave — of a disfigured body discovered upon its margin — a body enshrouded, yet still breathing, still palpitating, still alive!
He pointed to my garments — they were muddy and clotted with gore. I spoke not, and he took me gently by the hand — but it was indented with the impress of human nails. He directed my attention to some object against the wall — I looked at it for some minutes — it was a spade. With a shriek I bounded to the table, and grasped the ebony box that lay upon it. But I could not force it open, and in my tremor it slipped from out my hands, and fell heavily, and burst into pieces, and from it, with a rattling sound, there rolled out some instruments of dental surgery, intermingled with many white and glistening substances that were scattered to and fro about the floor.
— Southern Literary Messenger. Richmond, VA. I,7, March 1835, pp. 333-336.
Mannigfach sind Trübsal und Not. Unglück und Gram sind vielgestaltig auf Erden. Gleich dem Regenbogen spannt sich das Unglück von Horizont zu Horizont, und gleich den Farben des Regenbogens sind seine Farben vielfältig und scharf abgegrenzt und dennoch innig miteinander verwoben. Wie kommt es, daß Schönheit mir zum Kummer wurde, daß selbst aus Friedsamkeit ich nur Gram zu schöpfen wußte? Doch wie die Ethik lehrt, daß das Böse eine Konsequenz des Guten sei, so lehrt uns das Leben, daß die Freude die Trauer gebiert. Entweder ist die Erinnerung vergangener Seligkeit die Pein unseres gegenwärtigen Seins, oder die Qualen, die sind, haben ihren Ursprung in den Wonnen, die gewesen sein könnten.
Mein Taufname ist Egäus, meinen Familiennamen will ich verschweigen. Doch gibt es keine Burg im Lande, die stolzer und ehrwürdiger wäre als mein Geburtshaus mit seinen düstern grauen Hallen. Man hat unser Geschlecht ein Geschlecht von Hellsehern genannt. Und dieser Glaube wurde bestärkt durch allerlei Sonderlichkeiten im Baustil des Herrenhauses, in den Fresken des Hauptsaales, in den Wandteppichen der Schlafgemächer, in den Ornamenten einiger Gewölbepfeiler der Waffenhalle, besonders aber in der Galerie alter Gemälde, in Form und Ausstattung des Bibliothekzimmers und schließlich auch in seinen äußerst seltsamen Bücherschätzen selbst.
Die Erinnerung an meine frühesten Lebensjahre ist mit jenem Zimmer und seinen Büchern, von denen ich nichts Näheres mehr sagen will, innig verknüpft. Hier starb meine Mutter. Hier wurde ich geboren. Doch es ist überflüssig, zu sagen, daß ich schon früher gelebt, daß meine Seele schon ein früheres Dasein gehabt hatte. Ihr leugnet es? Nun, wir wollen nicht streiten. Selbst überzeugt, suche ich nicht zu überzeugen. Jedoch — ich habe ein Erinnern an luftzarte Gestalten, an geisterhafte, bedeutsame Augen, an harmonische, doch trauervolle Laute; ein Erinnern, das sich nicht bannen laßt, ein Erinnern, das einem Schatten gleich sich nicht von meiner Vernunft loslösen läßt, solange ihr Sonnenlicht bestehen wird.
In jenem Zimmer also wurde ich geboren. Da ich solcherweise, aus der langen Nacht des scheinbaren Nichts erwachend, in ein wahres Märchenland eintrat, in einen Palast von Vorstellungen und Träumen, in die wunderlichen Reiche klösterlich einsamen Denkens und Wissens, so ist es nicht erstaunlich, daß ich mit überraschten, brennenden Blicken in diese Welt starrte, daß ich meine Knabenjahre im Durchstöbern von Büchern vergeudete, meine Jünglingszeit in Träumen verschwendete. Erstaunlich aber ist es, welch ein Stillstand über die sprudelnden Quellen meines Lebens kam, als die Jahre dahingingen und auch mein Mannesalter mich noch im Stammhaus meiner Väter sah, erstaunlich, welch vollständige Umwandlung mit meinem Wesen, mit meinem ganzen Denken vor sich ging. Die Realitäten des Lebens erschienen mir wie Visionen und immer nur wie Visionen, während die wunderlichen Ideen aus Traumlanden nicht nur meinem täglichen Leben Inhalt gaben, sondern ganz und gar zu meinem täglichen Leben selber wurden.
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Berenice war meine Kusine, und wir wuchsen zusammen in den Hallen meiner Väter auf. Doch wir entwickelten uns sehr verschieden: ich schwächlich von Gesundheit und dem Trübsal verfallen, sie ausgelassen, anmutig und von übersprudelnder Lebenskraft; ihrer warteten die spielenden Freuden draußen in freier Natur, meiner die ernsten Studien in klösterlicher Einsamkeit. Ich lauschte und lebte nur meinem eignen Herzen und ergab mich mit Leib und Seele dem angestrengtesten und qualvollsten Nachdenken; sie schlenderte sorglos durchs Leben und achtete nicht der Schatten, die auf ihren Weg fielen, und nicht der rabenschwarzen Schwingen, mit denen die Stunden schweigend entflohen. Berenice! Ich beschwöre ihren Namen herauf — und aus den grauen Trümmern des Gedenkens erheben sich jäh tausend ungestüme Erinnerungen! Ah, leibhaftig steht ihr Bild jetzt vor mir, so wie in jungen Tagen ihrer Leichtherzigkeit und ihres Frohsinns! O wundervolle, himmlische Schönheit! O Sylphe, die durch die Gebüsche Arnheims schwebte! O Najade, die seine Quellen und Bäche belebte! Und dann, dann wird alles grauenvolles Geheimnis, wird zu seltsamer Spukgeschichte, die verschwiegen werden sollte. Krankheit, verhängnisvolle Krankheit befiel ihren Körper; plötzlich — vor meinen Augen fast — brach die Zerstörung über sie herein, durchdrang ihren Geist, ihr Gebaren, ihren Charakter und vernichtete mit schrecklicher, unheimlicher Gründlichkeit ihr ganzes Wesen, ihre ganze Persönlichkeit! Weh! Der Zerstörer kam und ging! Und das Opfer — wo blieb es? Ich kannte es nicht mehr — erkannte es nicht mehr als Berenice!
Unter der Gefolgschaft dieser ersten verderbenbringenden Krankheit, die eine so gräßliche Umwandlung in Körper und Seele meiner Kusine herbeiführte, ist als quälendste und hartnäckigste Erscheinung eine Art Epilepsie zu nennen, die nicht selten in Starrsucht endete — in Starrsucht, die endgültiger Auflösung täuschend ähnlich war. Das Erwachen aus diesem Zustand war in den meisten Fällen erschreckend jäh.
Inzwischen nahm meine eigne Erkrankung — denn als solche, sagte man mir, sei mein Zustand anzusehen — mehr und mehr Besitz von mir und entwickelte sich zu einer neuartigen und äußerst seltsamen Monomanie, die von Stunde zu Stunde an Stärke zunahm und schließlich unerhörte Macht über mich gewann. Diese Monomanie — wenn ich so sagen muß — bestand in einer krankhaften Reizbarkeit jener geistigen Eigenschaft, die man mit Auffassungsvermögen bezeichnet.
Es ist mehr als wahrscheinlich, daß ich nicht verstanden werde; aber ich fürchte in der Tat, daß es ganz unmöglich ist, dem Verständnis des Durchschnittlesers einen auch nur annähernden Begriff davon zu geben, mit welcher nervösen interessierten Hingabe bei mir die Kraft des Nachdenkens (um Fachausdrücke zu vermeiden) sich eifrig betätigte, sich verbiß und vergrub in die Betrachtung sogar der allergewöhnlichsten Dinge von der Welt.
Ich konnte stundenlang von der belanglosesten Textstelle oder Randglosse eines Buches gefesselt werden; ich konnte den größten Teil eines Sonnentages damit zubringen, irgendeinen schwachen Schatten zu beobachten, der über eine Wand oder den Fußboden hinzog; ich konnte eine ganze Nacht lang das stille Lampenlicht betrachten oder dem Flammenspiel des Kaminfeuers zuschauen; ganze Tage verträumte ich über dem Duft einer Blüte, oder ich sprach irgendein monotones Wort so lange vor mich hin, bis es keinen Sinn mehr hatte und nur noch Klang zu sein schien; ich verlor jedes Bewußtsein meiner physischen Existenz, indem ich mich vollkommner Ruhe hingab, mich nicht rührte und regte und halsstarrig stundenlang so verweilte. Dies sind einige der häufigsten und harmlosesten Grillen, die mich plagten — die Folge eines Geisteszustandes, der vielleicht gar nicht so selten ist, sicherlich aber jeder Analyse oder Erklärung spottet.
Doch man darf mich nicht mißverstehen. Die an so nichtige Dinge gehängte, tief ernste, krankhaft übertriebne Aufmerksamkeit ist nicht mit jenem Hang zu Grübeleien zu verwechseln, den mehr oder weniger wohl alle Menschen besitzen und der besonders Leuten von starker Einbildungskraft eigentümlich ist. Es war nicht einmal, wie man leichthin hätte annehmen können, ein besonders übertriebnes Stadium dieses Hinträumens, sondern etwas ganz und gar anderes. Jene Träumer und Phantasten, die von irgendeinem meist wirklich interessanten Gegenstande angezogen werden, verlieren dieses ursprüngliche Objekt bald aus den Augen, weil sein Anblick eine ganze Gedankenkette in ihnen aufrollt und eine Unzahl von Folgerungen und Betrachtungen in ihnen erweckt; und wenn sie dann aus solchen — meist angenehmen — Träumereien erwachen, so ist der Gegenstand, der diese Träumereien veranlaßte, ihrem Bewußtsein völlig entschwunden. In meinem Falle jedoch war es stets ein ganz nichtiger Gegenstand, an den meine Betrachtung sich knüpfte, wenngleich er infolge meines krankhaft intensiven Anschauungsvermögens vielfältige und übertriebne Bedeutsamkeit bekam. Meine Gedanken schweiften nur wenig ab und kehrten stets eigensinnig wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Diese Grübeleien waren niemals angenehm, und wenn sie endeten, so hatte der Gegenstand, von dem sie ausgingen, für mich ein unnatürlich gesteigertes Interesse bekommen, und eben dies war es, was den charakteristischen Zug meines Übels ausmachte. Kurz gesagt: in meinem Fall handelte es sich um ein abnorm konzentriertes Anschauungsvermögen, während das Wachträumen normaler Menschen auf ein Analysieren und Folgern hinausläuft.
Wenn auch die Bücher, mit denen ich mich damals beschäftigte, diesen krankhaften Zustand nicht gerade hervorgerufen hatten, so trug ihr phantastischer und oft unlogischer Inhalt immerhin viel dazu bei, mein Leiden so eigenartig auszubilden. Ich erinnere mich unter anderm noch gut der Abhandlung des edlen Italieners Coelius Secundus Curio »De Amplitudine Beati Regni Dei«, des großen Werkes des heiligen Augustinus »Die Stadt Gottes« und ferner des Tertullian »De Carne Christi«, in welchem der paradoxe Satz: »Mortuus est Dei filius; credibile est quia ineptum est; et sepultus resurrexit; certum est quia impossibile est«, mich zu tiefem, fruchtlosem Nachsinnen veranlaßte und viele Wochen lang meine Zeit gänzlich in Anspruch nahm.
So konnte mein Verstand, den nur die trivialsten Dinge aus dem Gleichgewicht brachten, mit jenem Meeresfelsen verglichen werden, von dem Ptolomäus Hephästion sagt, daß er allen menschlichen Angriffen widerstand, ja selbst der heftigen Wut von Wind und Wellen trotzte, der aber erbebte, sobald er mit der Blume Asphodelos berührt wurde. Ein oberflächlicher Beurteiler möchte wohl nun mit Bestimmtheit annehmen, daß die Veränderung, die Berenices unglückselige Krankheit in ihrem Seelenzustand hervorgerufen hatte, mir häufig Gelegenheit für dies intensive und anormale Nachsinnen gegeben hätte, das ich soeben nach bestem Können zu beschreiben versucht habe — aber nein, dies war in keiner Weise der Fall. In meinen klaren Stunden bereitete mir ihr Leiden allerdings Schmerz, denn dieser völlige Zusammenbruch ihres heitren und edlen Lebens ging mir tief zu Herzen, und ich fragte mich oft bekümmert, welch grauenhafte Mächte einen so unerhörten Umsturz hatten herbeiführen können. Aber solche Betrachtungen hingen mit meiner Idiosynkrasie nicht zusammen, sie waren ganz so, wie sie unter analogen Umständen weitaus die meisten Menschen angestellt haben würden. Es ist vielmehr bezeichnend für die Eigenart meines Übels, daß mich die unwichtigere, doch augenfälligere Wandlung in Berenices physischem Zustand — diese sonderbare und grauenhafte Vernichtung ihrer wirklichen, sichtbarlichen Persönlichkeit — weit mehr fesselte.
Sicherlich habe ich sie in den strahlenden Tagen ihrer unvergleichlichen Schönheit nie geliebt. Infolge meiner seltsamen Anomalie waren meine Gefühle nie vom Herzen — waren meine Neigungen stets vom Verstand ausgegangen. Im frühen Morgengrau — im schattigen Gitterwerk des mittäglichen Waldes — nächtens in der Stille meines Studierzimmers — wann und wo sie mir je vor Augen trat, immer war es mir, als sei sie nicht die lebende, atmende Berenice, sondern eine Traumgestalt; sie erschien mir nicht als ein irdisches Geschöpf, sondern als die Abstraktion eines solchen — nicht als etwas, das man bewundern, sondern als etwas, dem man nachsinnen müsse — nicht als ein Wesen zum Lieben, sondern als ein Thema zu tiefgründigem Erforschen. Und jetzt — jetzt schauderte ich bei ihrem Nahen und erbleichte bei ihrem Anblick. Aber ich beklagte ihren Verfall bitter, und ich erinnerte mich, daß sie mich seit langem liebte, und so kam es, daß ich ihr in einer schlimmen Stunde von Heirat sprach.
Und als die Zeit nahte, da wir Hochzeit halten wollten, saß ich an einem Winternachmittag eines jener wunderbar warmen, stillen und umschleierten Tage, die man die Amme des schönen Eisvogels nennt,Denn da Jupiter während der Winterzeit zweimal sieben Tage Wärme schenkt, so haben die Menschen diese milde und gemäßigte Zeit die Amme des schönen Eisvogels genannt. — Simonides wie ich vermeinte ganz allein im innern Gemach der Bibliothek; aber als ich aufblickte, sah ich Berenice vor mir stehen.
War es meine eigne fiebernde Einbildungskraft oder eine Wirkung der dunstigen Atmosphäre oder das trübe Dämmerlicht im Zimmer oder der Faltenfluß ihres grauen Gewandes, was ihr so verschwommene Konturen gab? Ich konnte es nicht sagen. Sie sprach kein Wort; und ich — nicht um alles in der Welt hätte ich ein Wort hervorbringen können. Ein eisiger Frost durchrieselte mich; eine unerträgliche Angst befiel mich; eine verzehrende Neugier durchdrang meine Seele, ich sank in meinen Sitz zurück und verharrte regungslos und hielt den Atem an und heftete meine Augen durchdringend auf ihre Gestalt. Ach, sie war entsetzlich abgemagert! Nicht eine einzige Linie, nicht eine einzige Kontur verriet noch eine Spur ihrer früheren Persönlichkeit. Meine brennenden Blicke fielen schließlich auf ihr Antlitz.
Die Stirn war hoch und sehr bleich und sonderbar starr und war über den hohlen Schläfen von zahllosen Löckchen des einst pechschwarzen Haares beschattet, das jetzt von lebhaftem Gelb war und dessen phantastische Ringel mit der souveränen Melancholie des Antlitzes seltsam kontrastierten. Die Augen waren ohne Leben und ohne Glanz und anscheinend ohne Pupillen; und ich schauderte unwillkürlich vor ihrem glasigen, starren Ausdruck zurück und wandte mich der Betrachtung der dünnen und eingesunkenen Lippen zu. Sie teilten sich zu einem sonderbar bedeutungsvollen Lächeln und enthüllten meinem Blick langsam der veränderten Berenice Zähne. Wollte Gott, daß ich sie nie gesehen hätte oder daß ich, nachdem ich sie sah, gestorben wäre!
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Das Schließen einer Tür schreckte mich auf, und aufblickend bemerkte ich, daß meine Kusine das Gemach verlassen hatte. Aber in der wüsten Kammer meines Gehirns war etwas zurückgeblieben: das weiße Gespenstbild ihrer Zähne — und das ließ sich nicht mehr vertreiben. Das flüchtige Lächeln von Berenices Lippen hatte genügt, jedes Schattenfleckchen auf dem schimmernden Email, jede Einkerbung der Schneiden — kurz jedes kleinste Merkmal ihrer Zähne tief in mein Gedächtnis einzubrennen. Ich sah sie jetzt sogar deutlicher als vorhin, da ich sie wirklich vor Augen hatte. Die Zähne! — Die Zähne! — Sie waren hier, waren dort, sie waren überall — sichtbar, greifbar vor mir; lang, schmal und übermäßig weiß, umwunden von den bleichen Lippen — ganz so wie in jenem Augenblick, da jenes verhängnisvolle Lächeln sie zuerst enthüllte.
Dann kam meine Monomanie mit voller Wut über mich, und ich wehrte mich vergeblich gegen ihre unerklärliche, bezwingende Gewalt. Alle Gegenstände und Ereignisse um mich her schienen zu versinken — ich hatte nur noch Gedanken für diese Zähne. Nach ihnen trug ich ein wahnsinniges Verlangen. Die Welt und alles, was mich mit ihr verband, schwand hin vor diesem einen, einzigen Bild. Sie, die Zähne, sie allein waren meinem geistigen Auge gegenwärtig — und sie, in ihrer ausgesprochenen Individualität, wurden zum einzigen Gedanken meines Geistes. Ich hielt sie in jede Beleuchtung. Ich betrachtete sie von allen, allen Seiten. Ich studierte ihren Charakter. Ich verweilte bei ihren einzelnen Eigentümlichkeiten. Ich vertiefte mich in die Übereinstimmungen und Abweichungen, die die Zähne in ihrer Formbildung aufwiesen. Ich entsetzte mich, als ich ihnen in Gedanken die Fähigkeit sinnlichen Empfindens und, auch ohne daß die Lippen sie unterstützten, seelisches Ausdrucksvermögen zuschrieb. Von Mademoiselle Salle hat man mit Recht gesagt: »que tous ses pas étaient des sentiments«, und von Berenice glaubte ich weit überzeugter: »que tous ses dents étaient des idées. Des idées!« — ah, war dies der idiotische Gedanke, der mich zugrunde richten sollte? Des idées — ah, das war es, weshalb ich diese Zähne so wahnsinnig begehrte! Ich fühlte, daß einzig ihr Besitz mir Frieden bringen — mich der Vernunft zurückgeben konnte.
Und so wurde es Abend — und Nacht kam und verweilte und ging — und wieder dämmerte der Tag — und die Nebel einer zweiten Nacht sammelten sich rings — und immer noch saß ich regungslos in jenem einsamen Zimmer — und immer noch saß ich in Betrachtungen vergraben — und immer noch übte das Gespenst der Zähne, das da mit lebhafter und gräßlicher Deutlichkeit im Wechsel von Licht und Schatten durchs Zimmer schwebte, seine schreckliche Gewalt.
Da brach in meine Traumversunkenheit ein Ruf voll Grausen und Bestürzung; und nach einer Pause vernahm ich Geräusch banger Stimmen, untermischt mit Klagelauten des Schmerzes. Ich erhob mich von meinem Sitz, und als ich die Tür zum Vorzimmer aufwarf, fand ich dort eine Magd, die mir in Tränen aufgelöst berichtete, daß Berenice nicht mehr sei! Sie war am frühen Morgen einem Anfall von Epilepsie erlegen, und jetzt, beim Hereinbrechen der Nacht, wartete das Grab auf seinen Bewohner; alle Vorbereitungen zur Bestattung waren beendet.
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Ich fand mich im Bibliothekzimmer sitzend — und wieder allein dort sitzend. Es schien, als sei ich wiederum aus einem wirren und aufregenden Traum erwacht. Ich wußte, daß jetzt Mitternacht war, und ich wußte recht gut, daß man Berenice bei Sonnenuntergang in die Erde gebettet hatte. Doch von den nachfolgenden dunklen Stunden hatte ich keine bestimmte und klare Erinnerung. Dennoch gedachte ich ihrer voll Grauen — einem Grauen, das um so entsetzlicher war, als ich es nicht an bestimmte Vorgänge zu binden vermochte. Es war in den Aufzeichnungen meines Lebens das furchtbarste Blatt, über und über mit dunklen, gräßlichen und unfaßbaren Erinnerungen bekritzelt. Ich versuchte, sie zu entziffern, aber es war unmöglich, und zwischendurch — wie das Gespenst eines verklungenen Rufes — gellte hin und wieder der schrille und durchdringende Schrei einer weiblichen Stimme mir in die Ohren. Ich hatte irgend etwas getan — was war es? Ich stellte mir laut diese Frage, und die flüsternden Echos des Zimmers antworteten mir — »was war es?«
Auf dem Tisch neben mir brannte eine Lampe, und daneben lag eine kleine Schachtel. Sie hätte durchaus nichts Auffallendes, und ich hatte sie schon manchmal gesehen, denn sie war Eigentum des Hausarztes; wie aber kam sie hier auf meinen Tisch, und warum schauderte ich, wenn ich sie ansah? Diese Fragen wollten sich in keiner Weise beantworten lassen. Meine Blicke fielen schließlich auf den unterstrichenen Satz eines offen vor mir liegenden Buches. Es waren die sonderbaren, doch einfachen Worte des Dichters Ebn Zaiat: »Dicebant mihi sodales, si sepulcrum amicae visitarem, curas meas aliquantulum fore levatas.« — Warum nur standen mir die Haare zu Berge, als ich dies las, warum erstarrte mir das Blut in den Adern?
Es wurde leise an die Tür geklopft, und bleich wie der Tod trat ein Diener auf Zehenspitzen herein. Seine Blicke waren voll wahnsinnigen Entsetzens, und er sprach bebend zu mir mit gedämpfter, heiserer Stimme. Was sagte er? Einige abgerissene Sätze hörte ich. Er sprach von einem wilden Schrei, der das Schweigen der Nacht gebrochen habe — daß das Hausgesinde zusammengeströmt sei — daß man in der Richtung des Schreies auf Suche gegangen sei; und dann wurde seine Stimme unheimlich deutlich, als er von Grabschändung redete — von einem aus dem Sarg gerissenen, entstellten Körper, der noch atmete — noch pulste — noch lebte!
Er deutete auf meine Kleider; sie waren von Erde beschmutzt und mit Blut bespritzt. Ich sagte nichts, und er ergriff sanft meine Hand: sie trug frische Kratzwunden von Fingernägeln. Er lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen an die Wand gelehnten Gegenstand: es war ein Spaten. Mit schrillem Aufschrei sprang ich an den Tisch und riß die Schachtel an mich, die dort lag. Aber es wollte mir nicht gelingen, sie zu öffnen. Und sie entglitt meinen zitternden Händen und schlug hart zu Boden und sprang in Stücke. Und heraus rollten klappernd zahnärztliche Instrumente und zweiunddreißig kleine, weiße, elfenbeinschimmernde Dinger und verstreuten sich rings auf den Fußboden ...
— Übersetzt von Gisela Etzel. Geschichten von Schönheit, Liebe und Wiederkunft. Berlin: Propyläen, 1922.