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Johannes Merkelin: Liber de instructione simplicium sacerdotum

Johannes Merkelin

Johannes Merkelin:

Incipit: Liber de instructione simplicium sacerdotum collatus per fratrem iohannem merkelyn scriptorem conventus vredebergensis camynensis dyocesis ordinis heremitarum sancti Augustini.

Friedeberg/Neumark, 27. November 1378.

Lateinische Handschrift in brauner Tinte auf Pergament. Gotische Buchkursive; die roten Überschriften und der Schlußbrief in einem formaleren Stil, nahe der Gothica textualis. Zweispaltig zu je 28 Zeilen, mit 126 rot eingemalten, meist zwei Zeilen hohen Initialen mit blauem Federwerk. Rot rubriziert. Schriftspiegel 162 × 108 mm, Blattgröße 231 × 158 mm. 133 von späterer Hand in Bleistift foliierte, recte 134 Blätter. Ein ungezähltes Blatt nach fol. 52 nur als Rest erhalten. Vorsatz aus Spiegel und fliegendem Blatt; 16 Lagen: i-ii8, iii-vi10, vii-xv8, xvi6; hinterer Vorsatz um die letzte Lage geschlagen.

Handgebundener weißer Lederband der Zeit auf dicken Holzdeckeln und vier breiten Doppelbünden, an den mit dem Heftfaden umstochenen Kapitalbünden mit schmalen Lederüberhängen versehen. Darüber eine Einbandhülle: Helles, bräunlich graues Wildleder, der auf dem Hinterdeckel als Überzug mit Einschlag gearbeitet ist und auf dem Vorderdeckel durch die Beschläge gehalten wird. Hinterer Innenteil dieses Einschlags samt einem Lederband nahe dem Falz erhalten; der ehemals überlappende Teil des Überzugs auf dem Vorderdeckel an dessen Rändern abgeschnitten. Die Deckel mit je fünf kleinen, getriebenen Messingbuckeln, zwei lange, abgesteppte rote Lederschließen, die an den Enden mit gegossenen Messingteilen und Scharnieren versehen sind und über Stifte greifen, die mittig auf dem Vorderdeckel angebracht sind (Riemenschließen mit Fibulae). Auf dem Vorderdeckel unterhalb des oberen Schließenstiftes Reste eines handgeschriebenen Titels.

Nach der Vorbemerkung auf fol. 3va die Kapitelübersicht; der in einhundert Kapitel unterteilte Text beginnt auf fol. 5rb und endet mit der Datierung und dem Schlußvermerk auf foll. 117vb-118ra, darauf folgt bis 132va der alphabetische Index, dann „Epistola domino warmi|ensi in t(ra)nsmissio(n)e libri de in|structio(n)e simpliciu(m) sacerdo|tum destinata“ bis fol. 133vb. – Auf dem vorderen fliegenden Vorsatz recto eine kurze Verslehre, verso die Monate des Jahres (nach Beda?). Der hintere Spiegel aus einem quergelegtem Blatt einer anderen, zweispaltigen Handschrift wohl des frühen 14. Jh. – Die Kapitel des Textes behandeln die Eucharistie, ihre Häufigkeit, Wein und Brot, Transubstantiation, diesbezügliche Irrlehren und Einwände, die Würdigkeit des Priesters, Absolution, u.v.a.m.; wobei eines der Schwergewichte allen von der Textmenge auf Eucharistie, Wandlung und den damit zusammenhängenden Aufgaben sowie der ‚dignitas’ des Priesters liegt.
 Johannes Merkelin, OESA, verstarb um das Jahr 1400. Ein wohl anderer ‚Johannes Merkelinus de Gengenbach’ nennt sich, datiert 1419, als Schreiber in einer Handschrift der Österr. Nationalbiblitohek (Menhardt, 1961, Bd. II, Nr. 5099 Hd. 3). – Merkelins Anweisungen sind dem Bischof (1373-1401) des Ermlandes Heinrich IV Sorbaum gewidmet. Sie umfassen den gesamten vorgegebenen Aktionsradius eines Priesters. Das Werk gehört zur Ordines-Literatur, die nicht allein eine wichtige Quelle der Kirchengeschichte darstellt, sondern in diesem speziellen Fall Einblick in die Wiederherstellung des Augustiner-Eremitenordens nach der Pest von 1348-1351, der 5084 Mitglieder dieses Ordens erlagen, gibt. Des weiteren wirkt sich im 14. Jh. das abendländische Schisma aus, das den Orden in zwei Obedienzen teilte. Beides hatte eine Erschlaffung der Ordenszucht und offensichtlich auch Irrlehren zur Folge, denen mit solchen Anweisungen für Priester entgegengewirkt werden sollte. Im Gefolge dieser Entwicklung kam es im letzten Viertel des 14. Jh. zur Reformation der Konvente.
 Sodann ist die Handschrift bedeutsam für die mittelalterliche europäische Geschichte, da durch die Widmung Partei ergreifend im Spannungsfeld der Machtkämpfe zwischen den Bischöfen und dem Deutschen Orden, der sich zwar erfolgreich die drei anderen prußischen Bistümer einverleibt hatte, doch beim Ermland dank der Untersützung aus Riga wie der Kurie damit scheiterte.
 Zu Merkelin cf. Egon Gindele et al.: „Bibliographie zur Geschichte und Theologie des Augustiner-Eremitenordens ...“. Berlin: de Gruyter, 1977, p. 349.

Einband angestaubt, Überzug an den Rändern mit kleinen Läsuren; ein Schließband schwächer. Innen meist wohlerhalten und bis auf das sechste Blatt der sechsten Lage (= Teil von Kapitel 57) vollständig. Leeres erstes Blatt der Schlußlage beim Binden bis auf den weißen Falz entfernt. Die Blattnumerierung wohl von neuerer Hand in Bleistift. Handschriften aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten – zumal in so gutem Zustand und im ersten seiner Bindeart wegen besonders interessanten Einband – sind wesentlich seltener als solche aus dem Rheingebiet.

Unikat. — Einbandabbildung eins stammt aus meinem Katalog № 50, bei der zweiten handelt es sich um eine eingescannte Polaroidaufnahme. Abbildungen der Seiten: fol. 2 recto - fol. 117-118 - fol. 1 verso; sie stammen aus einem Schreiben zu Katalog 50.


 

Eine der für die geistige Entwicklung innerhalb des europäischen Raumes wohl eher unbedeutenden Handschriften, wie das meiste jener überflüssigen Religion. Bemerkenswert aber ihres Einbandes wegen: Die Hülle diente, vergleichbar der des Beutelbuches, dem Schutz der Buchschnitte auf der Reise oder beim Wandern, so war ein Hülleneinband zunächst für meist kleinere Gebrauchsbücher gedacht, die den Besitzer ständig begleiteten, später, im 15. und 16. Jahrhundert, wurden solche Konstruktionen auch für den Schutz von Folianten angewandt